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Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Titel: Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Hensel
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kriege keinen Cent! Wenn ich meine Sachen verkaufe und ein paar Schulden begleiche, habe ich gerade noch Geld für ein Flugticket und ein paar Nächte im CVJM. Aber ich habe eine Story im Gepäck! Niemand macht sie mir kaputt!«
    Sie blickte hoch zu Maria. In ihrem Lächeln lag keine Freundlichkeit, sondern Drohung. »Auch du nicht!«

29
    Sie gingen über den Viktória-Platz, auf den Bänken saßen noch um diese Uhrzeit dunkle, hochgewachsene Männer. Frauen in bunten Gewändern und Kopftüchern hielten ihre Kinder im Arm. Flüchtlinge aus der Sahelzone; diese hatten überlebt.
    »Was schaust du dich um?«, fragte Eléni.
    »Hast du nicht gestern gefragt, ob ich verfolgt werde?«
    Transvestiten kamen ihnen entgegen, grell geschminkt, in Perücken und Netzstrümpfen. Sie sahen sofort, Eléni war keine geborene Frau. Sie grüßten sie mit Kreischen und Kusshand.
    »Ich will nicht so enden wie die«, sagte Eléni.
    »Es gibt andere Möglichkeiten.«
    »Welche? In einer Federboa auf der Schaukel schwingen und Je ne regrette rien singen?«
    Maria wusste keine Antwort. Eléni hatte eine Story. Sie konnte sie für viel Geld verkaufen. Wenn sie den Putsch verhinderte, zerstörte sie nicht bloß ihre Story. Sie zerstörte ihr Leben.
    Sie gelangten an den Rand eines kleinen Parks. Der Park war schwach beleuchtet. Am anderen Ende bestrahlten Scheinwerfer einen klassizistischen Palast.
    »Was ist das?«, fragte Maria.
    »Das Archäologische Museum.«
    Maria griff in ihre Hosentasche. Bückte sich, als sei eine Münze aufs Pflaster gefallen. Sie blickte sich um, griff nach der unsichtbaren Münze und stand wieder auf.
    »Lass uns durch den Park gehen«, sagte sie.
    »Ist gefährlich.«
    »Umso besser.«
    Bevor Eléni widersprechen konnte, bog Maria in den Park ein. Dürre Gestalten kauerten auf dem Rasen, manche standen, seltsam verkrümmt, auf den Wegen. Flämmchen leuchteten, Löffel blitzten. Eine Frau, ihr Alter unmöglich zu schätzen, hockte unter einer Laterne, der skelettierte Arm mit einer Gummischnur abgebunden. Sie stach mit der Spritze nach hier, nach dort, fand die Vene nicht und wimmerte. Andere Junkies lagen im Gras, die Spritze im Fuß, vielleicht waren sie schon tot.
    »Eine Attraktion, die nicht im Reiseführer steht«, flüsterte Eléni. »Die größte offene Heroinszene Europas.«
    Fahle Augen aus tiefen Höhlen starrten sie an, ein Mann, nackt bis auf eine vollgekackte Unterhose, stolperte, tanzte, tippte Eléni auf die Schulter.
    »Money, money, money …«
    Plötzlich schwenkte er drohend eine Spritze, Eléni zog Maria am Arm. Maria blieb stehen. Gab Eléni ein Zeichen, als habe sie zwischen Schlafsäcken und Schuhen etwas entdeckt. Sie ging ein paar Schritte ins Halbdunkel. Plötzlich machte sie einen Satz, sprang ins Gebüsch, Eléni hörte einen Kinderschrei …
    Maria kam zurück, im Schwitzkasten ein verdrecktes kleines Mädchen im Trainingsanzug. Sie drehte dem Kind einen Arm auf den Rücken, eine kleine, schimmernde Kamera fiel ins Gras.
    »Heb die Kamera auf!«, rief Maria Eléni zu. Je mehr das Kind um sich schlug und schimpfte, desto fester drückte Maria zu.
    »Was sagt sie?« fragte Maria.
    »Sie sagt, sie holt ihre großen Brüder.«
    »Was noch?«
    »Sie ficken dich.«
    »Frag sie, von wem sie die Kamera hat.«
    Eléni fragte. Das Mädchen antwortete trotzig.
    »Sie sagt, von ihrem eigenen Geld.«
    »Blödsinn.«
    »Sie sagt, sie hat Männern die Eier geleckt.«
    »Und wer hat dich geleckt, damit du mir nachspionierst?!«
    Sie ließ das Mädchen los. Sie lief nicht weg. Streckte fordernd ihre Arme nach der Kamera aus.
    Maria klickte sich durchs Menü, bis sie die Fotos fand. Es waren über dreißig. Das Mädchen hatte auf sie gewartet, vor dem Titania-Hotel. Hatte sie das erste Mal vor etwa zwei Stunden fotografiert, als sie aus dem Taxi stieg und sich ihren Weg durch die Touristengruppen zur Tür bahnte. Dann, als sie mit Eléni wieder herausgekommen war. Sie war ihr die ganze Zeit gefolgt, mindestens zwei Kilometer, bis zu Elénis Wohnung. Maria hatte nichts bemerkt. Erst als sie wieder aus der Haustür gekommen waren, war ihr das Mädchen im zerrissenen Trainingsanzug aufgefallen. Es hatte auf dem Bordstein gehockt und mit dem Finger Kreise in den Dreck gemalt.
    »Frage sie, welche Sprachen sie spricht.«
    Das Mädchen murmelte etwas und spuckte auf den Boden.
    »Griechisch, Rumänisch, Bulgarisch, Serbisch.«
    Keine Sprache, die Maria verstand.
    »Wer hat ihr gesagt, sie soll mich

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