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Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Titel: Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Hensel
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Der Hubschrauber schien nur auf sie gewartet zu haben. Maria wurde von einer Frau auf einen Sitz geschnallt, irgendjemand setzte ihr von hinten Kopfhörer auf.
    Der Hubschrauber hob ab. Ohne die Frauen. Er neigte sich nach vorn, nahm Kurs Richtung Süden. Maria saß am Fenster, sah rechts die Sonne purpurrot in den Abenddunst tauchen. Ihr erster Flug in einem Hubschrauber. Sie hatte nicht so viel Lärm und Ruckeln erwartet. Sie überflogen die Innenstadt, die Akrópolis, die Kathedrale, vor der immer noch Polizei- und Feuerwehrwagen standen. Dann die Pláka und ein Areal von Tempeln, die Vororte im Süden, sie sah Dachterrassen und Swimmingpools. Hätten nicht an diesem Feiertag wenigstens die Parks und Tennisplätze voller Menschen sein müssen? Vielleicht hatte die Regierung, oder was davon übrig war, eine Ausgangssperre verhängt.
    Die Hälfte der sechzehn Sitze im Hubschrauber war besetzt, alle von Männern. Einige trugen Uniform, einige Zivil. Sie sah Anspannung auf den Gesichtern. Keiner redete. Der Hubschrauber fiel in ein Luftloch. Nichts spürte sie hier von der Eleganz eines Hubschraubers, die sie vom Boden so oft bewundert hatte.
    Sie überflogen die Küste – Häfen voller Yachten, Strandrestaurants, ein Rummel mit Riesenrad und Karussells, die sich nicht drehten. Und nun das Meer, tiefblau, gesprenkelt von Inseln und Inselchen. Manche schienen unbewohnt zu sein, auf anderen brannten nur drei, vier Lichter. Ihr war bis jetzt nicht klar gewesen, aus wie unendlich vielen Inseln Griechenland bestand. Auf einigen erkannte sie private Anwesen, Villen mit Nebengebäuden und Swimmingpools. Segel- und Motoryachten lagen in versteckten Buchten. Ein kleiner Hubschrauber steuerte, weit unter ihnen, auf einen Landeplatz zu. Ein gutes Land, dachte Maria, um Geld zu verstecken, richtig viel Geld. Sie überflogen eine größere Insel voller Lichter; vielleicht Mykonos. Da feierten und tanzten die Touristen. Wie viel erfuhren sie aus Athen? Interessierte sie überhaupt, was jenseits der Strände und Resorts passierte?
    Der Hubschrauber ging in den Sinkflug. Das Purpur der Sonne war erloschen, sie sah nur noch schwachen Lichtschein am Horizont und Sterne am Himmel. Unten sah sie keine Lichter, keine Insel, bloß Wasser und eine Nebelbank. Der Hubschrauber sank tiefer, tauchte in den dichten Nebel. Er ruckelte und vibrierte. Zwischen den Schwaden sah sie ein winziges Eiland. Fünf, sechs niedrige Bäume auf einem Hügel. Ein Sendemast, eine Baracke, ein Anleger, an dem zwei offene Boote lagen.
    Der Hubschrauber landete neben der Baracke. Die Türen wurden aufgeschoben. Maria, die Hände immer noch gefesselt, stolperte beim Aussteigen. Niemand beachtete sie. Niemand stellte Fragen oder hielt sie fest. Windstille See und Nebel. Kein Ort, von dem man mit gefesselten Händen fliehen konnte.
    »Wo sind wir hier?«, fragte sie einen Offizier, der hinter ihr gesessen hatte.
    Ausweichender Blick, keine Antwort.
    Niemand wollte sie hier kennen. Alle standen herum, schienen auf etwas zu warten, während der Helikopter seine Motoren herunterfuhr. Hier und da kurze Wortwechsel, nicht unfreundlich, neutral, als seien alle diese Männer sich mehr oder weniger fremd. Einer sprach in seinen Blackberry, die Stimme weich und zärtlich. Wie ein Vater, der seinem Sohn mitteilt, dass Papi heute leider nicht nach Hause kommt. Offenbar hatten nur Blackberrys hier Netz. Man tauschte Nachrichten aus, zeigte sich Displays, nickte kurz. Keiner wollte übertriebene Neugier zeigen. Keiner wollte den Eindruck erwecken, er habe etwas zu verbergen. Keiner zeigte sich hoffnungsvoll oder gar euphorisch. Der Ministerpräsident lag auf der Intensivstation. Die Machtverhältnisse waren unklar. Keiner wollte sich auf die falsche Seite stellen.
    Wer keinen Blackberry hatte, griff zur Zigarettenschachtel. Niemand bot Maria eine Zigarette an. Bald kratzten sich die ersten an Hals und Armen. Sonnenuntergang, Insel, Mücken.
    Aus der Baracke, die etwas erhöht am Fuße des Sendemastes lag, kam eine korpulente Frau, mit kurzen Haaren und zu enger Uniform. Der gleiche Typ wie die Frauen, die Maria in der Athener Zelle gepackt und an den Händen gefesselt hatten.
    Die Frau verlas eine Erklärung. Richtete den Blick auf Maria und fügte einige frei gesprochene Sätze hinzu. Ein junger Soldat stellte sich vor Maria hin, breitbeinig, und spuckte auf den Boden. Er blickte sich um, hoffte vielleicht auf anfeuernde Rufe. Es kamen keine. Er kehrte, trotzdem befriedigt, zu

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