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Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Titel: Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Hensel
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seinen Kameraden zurück und schnorrte eine Zigarette.
    Vom Anleger tönte ein Horn. Einige Männer blieben, andere gingen hinunter zu den Booten. Die Frau gab Maria ein Zeichen, sie solle den Männern zum Anleger folgen. Sollte Maria sich weigern? Auf ihre Rechte pochten? Sie hatte hier keine Rechte. Sie trottete den Männern nach zum Anleger.
    Ein Soldat startete den Außenborder. Fünf Männer kletterten ins Boot, alle in Uniform. Sie als Letzte. Sie war die einzige Frau. Sie war Ausländerin. Sie trug Freizeitkleidung. Ihre Hände waren gefesselt. Man hätte erwarten können, dass das Neugier auslöste, Fragen, wenigstens Blicke. Der Soldat stützte lediglich beim Einsteigen ihren Arm und wies ihr mit einem Kopfnicken einen Platz am Bug zu. Die anderen Männer sahen an ihr vorbei. Der Soldat löste die Leinen. Das Boot legte ab. Es nahm Kurs aufs offene Meer. Keiner lachte, keiner sprach.
    Wo war eigentlich ihr Rucksack? Hatte man ihn ihr in der Kaserne abgenommen oder lag er noch im Hotel? Und ihr Telefon? War es ihr schon vorher aus der Tasche gefallen, während der Verfolgung? Egal wie sie sich anstrengte; sie konnte sich nicht erinnern. Das Boot nahm Fahrt auf. Sie schaute zurück, der Nebel verschluckte den Anleger, die Baracken, den Sendemast. Angst packte sie wie ein Fieberanfall. Warum schwiegen die Männer? Waren alle auf diesem Boot schon verurteilt? Fuhren sie zur Hinrichtung?
    Keine Möglichkeit zur Flucht. Zu spät für einen Hilferuf. Das Boot fuhr in neblige Nacht.

41
    Er hatte das Steuerrad festgestellt. Das Motorboot hielt Kurs Süd-Südost. Vor fünf Minuten hatte er sich den Rest Lidocain gespritzt. Die Wunde war blau, geschwollen, hart und taub. Die Apothekerin hatte ihm ein Skalpell, Pinzette, Desinfektionsmittel und Verbandszeug verkauft, außerdem Ibuprofen-Tabletten gegen Fieber. Alles rezeptfrei. Er hatte darauf bestanden, es war sein Recht.
    Er setzte das Skalpell an. Blut und Eiter liefen ihm heiß über die Hand. Ihm wurde übel, dann wurde ihm schwindlig. Er musste unterbrechen, hielt den Kopf über die Bordwand. Er würgte, aber übergab sich nicht. Er richtete sich auf, schnitt weiter, er hätte einen Spiegel gebraucht. Seine Finger tasteten sich durch rohes Fleisch, bis sie etwas Hartes fühlten. Den Splitter, der sich vom Knochen gelöst hatte. So viel Ärger für diesen Winzling. Er versuchte, ihn herauszuziehen. Er bekam ihn nicht zu fassen. Er zog mit der Pinzette. Der Splitter hing am Knochen fest. Schweiß rann seinen Rücken hinunter. Er konzentrierte alle Kraft auf seine rechte Hand und zog. Er hielt den Splitter in der Pinzette.
    Er schnitt weiter. Blut floss seinen Arm hinunter auf die Sitzbank. Lieber eine große Wunde, dafür ohne entzündetes Fleisch. Er hätte das gleich tun müssen. Er hatte sich gedrückt. Nun zahlte er den Preis. Der Schmerz strahlte in seinen Arm, seine Brust. Er fürchtete sich vor dem Nachlassen der Betäubung. Aber Dramadol-Tabletten hatte er noch genug. Wenn alles vorbei war, würde er sich eine gönnen. Er drückte eine Kompresse auf die Wunde. Das Blut sickerte zu allen Seiten hinaus. Er riss weitere Packungen auf, die Kompressen fielen ihm aus der Hand, ihm wurde schwarz vor Augen. Er musste die Wunde schließen! Er legte sich auf die Bank. Er klemmte drei Kompressen zwischen Schulter und Bordwand. Er klebte ein Pflaster vom Nacken über die Schulter bis zur Brust. Das Pflaster hielt die Kompressen auf der Wunde, solange er sich nicht bewegte. Er klebte zwei weitere Pflaster kreuzweise über die Kompressen. Jetzt konnte er sich aufsetzen, ohne dass die Kompressen verrutschten. Er wickelte sich elastische Binden um die Brust, den Hals, unter die Achseln. Sie sicherten die Pflaster und Kompressen. Er fixierte die Binden mit Haken und Klebeband. Er hob seinen Arm, er senkte ihn. Er drehte ihn und ballte die Faust. Die Kompressen hielten. Er hatte es geschafft. Es war gar nicht so schlimm gewesen. Natürlich, der Schmerz würde zurückkommen. Zu Anfang sogar stärker als zuvor. Aber nun konnte die Wunde heilen. Das entzündete Gewebe hatte er herausgeschnitten. Der Splitter steckte nicht mehr im Fleisch. Er hatte gesiegt!
    Auf dem Display blinkte der grüne Punkt: Noch zwanzig Meilen bis zum Ziel. Genug Zeit, das Blut aus dem Cockpit zu wischen. So viel war es gar nicht. Er würde auch versuchen, es ohne Dramadol-Tabletten zu schaffen. Weichheit im Kopf war das Letzte, was er sich leisten konnte. Was den Starken vom Schwachen unterscheidet,

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