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Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Titel: Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Hensel
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Abgrund stürzen. Sondern ein ganzes Land.

42
    Vor Maria stand eine Tasse Tee. Sie rührte sie nicht an. Sie konnte sie nicht anrühren, weil ihre Hände immer noch gefesselt waren. Aber für ihre Hände, hatte der Steward gesagt, war er nicht zuständig. Er hatte die Stahltür wieder verschlossen, die Scharniere hatten gequietscht. Wahrscheinlich wurde der Raum nur selten benutzt. Für Gefangene im Krieg, zum Beispiel. Oder Staatsfeinde wie sie.
    Sie hörte entferntes Brummen des Schiffsmotors. Aus einem Loch knapp unter der Decke blies warme Luft. Sie hatte die Größe des Schiffes in der Dunkelheit schlecht schätzen können. Ein Kriegsschiff jedenfalls, mit Rettungsbooten an der Seite und mindestens einer Kanone am Bug. Alles war schnell gegangen, das Boot hatte angelegt, die Soldaten hatten Maria unter den Schultern gefasst, sie die Leiter hochgedrückt und an Bord gezogen. Sie hatten sie über das Schiff getrieben, einer hatte ihren Kopf nach unten gehalten. Sie hatte kaum mehr gesehen als das graue Deck.
    Die Kabine enthielt einen Spind, leer bis auf zwei Kleiderbügel. Eine Schlafnische, die dünne Matratze ohne Laken. Ein Regal mit dem Neuen Testament auf Griechisch und Englisch. Keine Fenster. Das Schiff hatte bei ihrer Ankunft bewegungslos im Nebel gelegen. Auch jetzt hatte sie nicht den Eindruck, dass es fuhr.
    Sie hörte das Schieben eines Riegels, Quietschen der Scharniere, Stolpern von Stiefeln. Ein Soldat wurde hereingestoßen. Es war der Soldat mit der Eistüte. Der Einzige, der ihr geglaubt, der den DVD-Spieler an sich genommen hatte. Er blutete aus einer Wunde an der Schläfe. Er musterte sie entgeistert.
    »Wie kommen Sie hierher?«, fragte er.
    »In einem Boot. Ungefähr vor einer halben Stunde.«
    Draußen wurde der Türrahmen wieder verriegelt. Der Soldat suchte im Spind nach einem Spiegel.
    »Habe ich eine große Wunde?«
    »Platzwunde. Blutet, aber ist nicht tief. Was haben die mit Ihnen gemacht?«
    »Ein Versehen«, sagte er und lachte verächtlich. »Sie haben mich gegen den Türrahmen gestoßen. Kann passieren, nicht wahr? Keiner ist verantwortlich. Aber damit geben sie dir ein Zeichen. Wir können dich auch so stoßen, dass es richtig weh tut. Und dafür ist dann auch keiner verantwortlich.«
    Er setzte sich auf die Pritsche. »Frau Maria Brecht. Die ganze Zeit haben die mich verhört! Woher wir uns kennen? Woher Sie das Video haben?«
    »Haben Sie die Fenster der Kathedrale eingeschossen?«
    »Mit ein paar Kameraden. Zuerst haben wir noch gedacht, das Video ist schrecklich, aber was hat das mit uns zu tun? Dann haben wir von innen die Schreie gehört. Wir haben in die Fenster geschossen und die Türen aufgerissen. Dafür haben sie mich verhaftet: Handeln ohne Befehl.«
    »Aber Sie haben vielen Menschen das Leben gerettet!«
    »Richtig! Und darüber scheint man auf diesem Schiff nicht glücklich zu sein!«
    Er betastete seine Wunde. Er fluchte. »Ich habe oben einen Krach mitbekommen, zwischen zwei Offizieren. Denen flattern die Nerven. Ihre Aktion ist schiefgelaufen. Der Ministerpräsident lebt. Der Außenminister lebt. Und jetzt suchen sie einen Verräter. Ich weiß nicht, wer Sie sind, Frau Brecht! Sagen Sie nichts! Ich will’s nicht wissen! Aber die werden Sie verhören. Die Methoden sind ihnen egal. Die wollen alles wissen.«
    »Ich bin –«
    »Sagen Sie das denen! Nicht mir! Ich mache hier meinen Wehrdienst! Ich studiere in Dublin Biologie! Ich will nur eines: hier raus!«
    Er schlug die Faust in die Hand. Er sprang auf und brüllte die Tür an. »Lasst mich hier raus! Macht eure Scheiße allein!«
    »Hören Sie mit der Brüllerei auf!«
    Er warf sich gegen den Stahl. Der Donner hallte. Sie horchten. Sie hörten keine Schritte, die sich näherten. Der Soldat fiel wieder auf die Pritsche.
    »Es ist für uns beide besser, wenn Sie sich beruhigen«, sagte Maria.
    »Sie hat man noch nicht verhört!«
    »Wie heißen Sie?«
    »Efthýmios Alexíou. Nennen Sie mich Mákis.«
    Wieder schlug er die Faust in die Hand. Er lachte. Stampfte mit dem Fuß auf. »Das Verrückte ist, jeder hat es kommen sehen.«
    »Keiner sagt: Schau mal, da kommt ein Putsch. Aber man munkelt. In der Kaserne. In den Cafés. Gestern Abend haben wir den fünfzigsten Geburtstag meiner Tante gefeiert. Lamm, Fasan, gebackene Kartoffeln, die Tische biegen sich. Meine Verwandtschaft ist Mittelschicht. Ärzte, Anwälte, Militär. Und natürlich reden sie. Zum Beispiel über die nächste Hilfsrate. Und alle sind sich

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