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Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Titel: Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Hensel
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ist die Fähigkeit zum Verzicht.
    Vielleicht, dachte Andréas, war das mit dem Ausspucken vor der blonden Frau keine gute Idee gewesen. Er hatte seinen Patriotismus zeigen wollen. Dass er Verräter hasste, dass sie Dreck waren und keine Menschenwürde verdienten. Aber niemand hatte gerufen: »Gut so! Gib’s der Verräterschlampe!« Keiner seiner Kameraden hatte ihm auf die Schultern geklopft. Sie hatten ihm sogar die Zigarette nur widerwillig gegeben. Auf welcher Seite standen seine Kameraden? Und welche Seite war in Athen inzwischen an der Macht? Nebel auf dem Wasser, in der Politik, sogar in seinem Kopf. Jedenfalls würde er sich erst mal raushalten. Keine Meinung äußern, keine Hymne singen. Konnte eine Stunde später schon alles wieder falsch sein.
    Sie hatten ihn zur Wache eingeteilt, an der Nordseite, hinter der Baracke. Als ob es hier etwas zu bewachen gab. Eine Strafe? Misstrauten sie ihm? Hatten sie das Ausspucken vor der Deutschen vielleicht als Manöver gedeutet? Um seine wahre politische Gesinnung zu verschleiern? Ein Schauer überlief ihn. Alle hatten sie Angst, diese Nacht. Keiner wusste, nach welchem Kompass er segeln musste. Vielleicht hatte Andréas, mit dem Ausspucken vor der Deutschen, gegen ein neues Gesetz verstoßen? Wenn dieser Posten die Strafe war, wenn ihn nichts Schlimmeres erwartete – dann war er erst mal froh. Sich lieber abseits halten, allein, in Sicherheit. Außerdem gab’s da oben mehr Mücken.
    »Wo ist Goúmas?«
    Andréas fuhr herum. Er sah einen Mann im Sand stehen, nur ein paar Schritte entfernt.
    »Ich schreibe für die Ta Néa«, sagte der Mann. »Wo ist Goúmas?«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »Er sollte mich hier abholen. Für ein Interview.«
    Der Mann öffnete sein Portemonnaie, zeigte etwas Blaues, das ein Presseausweis sein mochte.
    »Sie wissen nicht, wer Goúmas ist? Dieser Stützpunkt muss im Umgang mit der Presse noch einiges lernen. Wie ist die Stimmung?«
    »So in der Mitte«, sagte Andréas.
    »Die Männer sind nicht entschlossen?«
    »Schon …«, sagte Andréas zögernd.
    »Auf welcher Seite stehen Sie?«
    »Ich?« Andréas wurde heiß in seiner Uniform. »Ich stehe auf der Seite des griechischen Volkes.«
    »Eine gute Antwort. Darf ich Sie zitieren?«
    »Ja. Oder lieber … Ohne Erlaubnis von oben …«
    »Verstehe.«
    Der Mann bot ihm Zigaretten an. Andréas griff erleichtert zu.
    »Wo ist der Minister?«
    »Doukákis? Auf See.«
    »Weit von hier?«
    »Eine knappe Meile Richtung Westen.«
    Der Mann hielt ihm ein Feuerzeug hin, Andréas beugte sich vor. »Vom Anleger gehen Boote. Wenn Sie –«
    Gabriel tötete gern Soldaten. Obwohl es nicht immer einfach war. Sie waren trainiert, trugen Waffen und bewahrten gegenüber Fremden einen Rest Misstrauen. Man musste tricksen. Mit einem Feuerzeug zum Beispiel, aus dem eine Klinge schnellte. Traf die Klinge ins Auge, konnte der Soldat nicht mehr viel machen. Man musste nur noch den Kopf packen, die Klinge ins Hirn drücken und aufpassen, sich nicht mit Blut und Augenflüssigkeit zu bekleckern. Was man am besten verhinderte, indem man den Kopf an den Haaren nach hinten zog. Was wiederum bei Soldaten schwierig war, weil die Hände in den kurzen Haaren keinen Griff fanden. So hatte jede Tötung ihre Eigenheit.
    Gabriel hörte Stimmen von der Baracke auf dem Hügel. Er hörte Drehen von Rotorblättern. Ein Hubschrauber hob ab.
    »Eine knappe Meile Richtung Westen.«
    Auf der Fahrt hatte sein Radar mehrere Schiffe geortet; jetzt würde er das richtige ohne Probleme finden. Konnte ihm die Uniform dieses Soldaten nützen? Er war dicklich, kleiner als er, sie würde nicht passen. Als Tarnung würde sie ihn nicht lange schützen, vielleicht nur ein paar Sekunden. Doch diese Sekunden konnten über den Erfolg entscheiden. Das Funkgerät war auf jeden Fall eine wertvolle Beute. Er zog dem Soldaten die Stiefel aus, das Hemd, die Hose. Die EP7 ließ er im Holster. Traue keiner Waffe, die die Griechen selbst produzieren.
    Er krempelte die Hosen bis übers Knie, watete, die Uniform im Arm, auf sein Boot zu. Er kletterte die Badeleiter hoch und lichtete Anker. Er startete den elektrischen Außenborder, wendete lautlos das Boot. Vermutlich lag sein Boot zu niedrig, um vom Radar des Schiffes erfasst zu werden. Falls nicht, war die Uniform als Tarnung umso wertvoller.
    Eine knappe Meile Richtung Westen. Irgendwo da vorn, im Nebel, lag das Schiff. Das Ziel seiner Rache. Nicht bloß ein paar Dutzend Menschen würden heute Nacht in den

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