Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll
einig, dass Brüssel dieses Mal nicht zahlt. Griechenland hat schon wieder bei den Zahlen getrickst, der Staatsapparat ist so korrupt wie immer, es gibt null Reformen, dieses Mal dreht Brüssel den Geldhahn zu. ›Und?‹, fragte ich. ›Was passiert, wenn der Staat zusammenkracht?‹ Alle grinsen mich an wie einen blöden Ausländer, der keine Ahnung hat. ›So schlimm wird’s schon nicht kommen‹, sagen sie. ›Da wird schon vorher einer was machen.‹ «
»Doukákis?«
»Sie himmeln ihn an! Meine Oma, meine zwölfjährigen Neffen, alle! Der Mann ist erst ein paar Monate Minister, und die meiste Zeit sitzt er in Talkshows. Aber er sieht gut aus. Er kann reden. Er ist reich, alter Adel. Die Leute lieben das. Adel ist unabhängig. Adel hat noch Werte. Adel steht über den Parteien. Doukákis, der neue Messias!«
»Aber ein Anschlag mit Giftgas –«
»Ist natürlich schrecklich! Den Anschlag hat keiner gewollt! Diese unmenschlichen, vom Ausland gesteuerten Anarchisten! Aber nun sind die alten Politiker eben weg. Und der Neue ist da. Gibt den Menschen neue Hoffnung. Und dem Land wieder Stolz!«
Maria sah wieder die Fernsehbilder; Doukákis vor dem Hubschrauber. Die Pilotenuhr, das vorgereckte Kinn. Ein Führer, der vorangeht. Der nicht kleinmütig wartet, dass man ihn wählt. Und sie sah sich selbst. Wie sie, wirr vor Durst und Hitze, ahnungslosen Wehrpflichtigen einen geklauten DVD-Player aufdrängte. Der Messias hatte sich mit seinem Volk unter der Hand auf einen Plan geeinigt. Sie, Touristin aus Berlin, hatte einen Stock ins Räderwerk geworfen.
»Der Anschlag reicht nicht«, sagte Maria. »Der Anschlag gibt ihm noch keine Macht. Er muss einen Plan haben für die nächsten Stunden.«
»Und ob er einen Plan hat. Deshalb sind auf diesem Schiff alle hysterisch. Sie haben die Machtübernahme monatelang vorbereitet. Sie haben ein Protokoll geschrieben, Tausende Seiten.«
»Das Perseus-Protokoll.«
»Ha! Sie wissen es! Sie wissen alles!«
Draußen kamen Schritte näher. Hielten vor der Tür inne. Entfernten sich.
»Reden Ihre Verwandten über das Perseus-Protokoll?«
»Sie munkeln. Wie es nur Griechen können. Dass es ja heutzutage nicht mehr ist wie in den Sechzigern. Alles läuft elektronisch. Aber dass es ja bestimmt Leute gibt, die sich da auskennen. Es gibt diese Leute. In China. Die hacken sich ins FBI und ins Pentagon. Griechische Regierungscomputer? Erledigen die vorm Frühstück. Ein Programm, das sich durch die Netzwerke frisst. Das neue Programme auslöst, Computer aktiviert, andere deaktiviert und alle diese vielen Befehle ausführt.«
»Einen Trojaner?«
»Sie nennen ihn PERSEUS. Sie sitzen da oben, sie haben einen Code, sie müssen ihn nur auslösen. Der Ministerpräsident liegt im Koma. Sie müssen die Macht an sich reißen, bevor er aufwacht. Aber sie trauen sich nicht. Warum? Weil sie in ihren Reihen einen Verräter haben. Wer ist es? Was plant er? Solange sie den Namen nicht haben, können sie PERSEUS nicht auslösen!«
Maria begriff. Da oben wollten sie von ihr den Namen.
»Ich weiß nicht, wer Sie sind«, sagte Mákis. »Was Sie wissen. Aber wenn Sie hier lebend rauskommen wollen, dann spielen Sie nicht die Heldin. Da oben sitzen Leute, die haben ihr Handwerk während der Diktatur gelernt. Ob Sie eine Frau sind, ob Sie Deutsche sind, ist denen egal. Sie brauchen den Namen. Und sie brauchen ihn schnell.«
Wieder kamen Schritte näher. Und jetzt blieben sie stehen. Ein Schlüssel drehte sich, der Riegel wurde aufgeschoben. Zwei Soldaten standen in der Tür. Einer rief Marias Namen.
»Sagen Sie ihnen den Verräter!«
43
Höchstgeschwindigkeit 33 Knoten. Vier Dieselmaschinen, vier Schrauben, 12.000 PS. Am Bug eine 30-Millimeter-Kanone. Auf dem Achterdeck ein Kran, zum Aufbringen von Flüchtlingsbooten. Er sah das Patrouillenboot im Nebel liegen. Typ Saar 4. Verkauft 2002 von den Israel Shipyards an die griechische Regierung, rechtzeitig vor den Olympischen Spielen. Gabriel schaltete den Außenborder aus und trieb lautlos auf sein Ziel zu. Er prüfte den Sitz seines Maschinengewehrs, seiner Handgranaten – und seiner Rafqa. Sein Juwel und Liebling, erbaut nach seiner Vorstellung eines stillen, zuverlässigen Tötens. Auf der ganzen Welt gab es nur zwei Exemplare; für das zweite leistete er sich einen Safe in Lausanne.
Er prüfte den Sitz seiner Schutzweste, der Arm- und Beinprotektoren. Mit wie viel Widerstand würde er rechnen müssen? Sicherlich mit weniger als der Regelbesatzung
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