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Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Titel: Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Hensel
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Sie zählte acht tote Soldaten an Deck. Zwei lehnten unter der Kanone, ihre Köpfe aneinandergelegt wie ein Liebespaar. Von der ausgebrannten Kommandobrücke stieg Rauch in den Himmel, ebenso aus zwei Luken am Heck.
    Der Mann hatte ganz links begonnen. Schuss für Schuss, im Uhrzeigersinn, hatte er alle Anwesenden getötet. Panourgiás hatte noch versucht, eine silberne Pistole zu zücken. Es bedeutete bloß, dass er ein paar Sekunden früher starb. Fünfzehn Schuss, fünfzehn zusammengesunkene Körper. Blut auf den Tischen, Gehirnspritzer an den Wänden. Doukákis hatte er verschont – und Maria. Er hatte sich zu ihr gewandt und gesagt:
    »Lassen Sie mich mit dem Herrn Minister allein.«
    Eine Gruppe von Putschisten. Sie wollten mit einem Giftanschlag die Regierung auslöschen. Für diesen Anschlag hatten sie einen Killer engagiert. So weit, glaubte sie, hatte sie begriffen. Aber warum tauchte der Killer plötzlich an Bord auf? Metzelte seine Auftraggeber nieder?
    Sie sah einer Möwe nach. Kein Licht am Horizont. Keine Boote, keine Hubschrauber, keine Hoffnung auf Rettung. Sie hörte bloß die beiden Männer in der Offiziersmesse reden; kühl, wie zwei Anwälte, die über einen Deal verhandeln.
    »Psst!«
    Mákis stand an Deck. Er winkte ihr zu, aus dem Schatten der Kanone.
    »Wir müssen hier weg!«
    »Wie?«
    »Am Heck liegt ein Boot!«
    »Er ist da drin. Mit Doukákis.«
    »Wir können nichts für ihn tun.«
    »Warum kommt keine Hilfe?«
    »Weil niemand Hilfe rufen kann! Weil er das ganze Schiff massakriert hat!«
    Sie hörten Doukákis schreien. Erstickt wimmern. Etwas zersplitterte. Wieder ein Schrei. Mákis zog Maria die Brücke hinunter, über das Deck. Vorbei am Kran, den Rettungsbooten, den Toten.
    »Wie haben Sie Ihre Fesseln aufbekommen?«, fragte Maria.
    »Ich habe im Mannschaftsraum ein Messer gefunden.«
    Am Heck, unter der Reling, schaukelte das Motorboot.
    »Mit gefesselten Händen komme ich nicht runter.«
    »Ich kann nicht noch mal nach unten. Wir haben keine Zeit!« Mákis kniete sich zu den toten Soldaten hinter dem Kran. Er durchsuchte ihre Taschen … Ein Schuss von der Brücke. Er brach zusammen. Aus seinem Mund lief Blut. Maria hielt sich an der Reling fest. Sie presste die Augen zusammen. Sie wollte nicht mehr sehen, nicht mehr hören. Ihre Zähne schlugen gegeneinander. Jemand fasste sie an. Ihre Knie gaben nach. Sie fühlte kein Deck, keine Reling …

46
    Gelb-türkis geblümte Polster. Eine Pantry, über der Becher, Schalen, Geschirrtücher an Haken hingen. Sie lag vorn, auf der Koje. Am Fußende stand ein Federballspiel, eine Babywippe. Das Boot fuhr schnell, schlug hart aufs Wasser. Ihre Hände waren immer noch gefesselt. Ihre Schultern schmerzten. Sie wusste nicht, wie sie auf dieses Boot gekommen, wie lange sie bewusstlos gewesen war. Ihr war kalt. Sie fühlte Übelkeit. Die Luft roch nach Plastik.
    Die Maschine wurde gedrosselt. Das Boot verlor Fahrt, der Bug senkte sich. Der Motor wurde ausgeschaltet. Das Boot schaukelte sanft in den Wellen. Sie hörte die Stimme, die auf Doukákis einsprach. Geduldig, wie ein Lehrer auf ein lernschwaches Kind. Sie hörte Doukákis durch einen Knebel brüllen. Wieder die Stimme. Wieder das Brüllen. Sie hörte das Ausschütten von Wasser. Kreischen. Maria verkrümmte sich in der Koje. Kein Kissen, in das sie die Ohren pressen konnte. Wieder die Stimme. Das Brüllen. Das Wasser. Jetzt die Stimme Doukákis, ohne Knebel – langsam, leise, überdeutlich. Eine Abfolge von Silben. Sie erkannte Zahlen. Tésseris , Októ , Énas … Sie hörte ein elektronisches Bing! Dann die Stimme, der Lehrer, der das lernschwache Kind lobt. Wimmern, Kreischen, das Schlagen eines Körpers ins Wasser. Die Tür wurde entriegelt.
    »Bitte kommen Sie.«
    Maria kletterte ins Cockpit. Sie rutschte auf einem Blutsee aus und fiel auf die Sitzbank. Der Mann zog sich Gummihandschuhe von den Händen und warf sie über Bord. Er startete den Motor und drehte das Boot auf Kurs.
    Sie sah Doukákis’ Körper weiß und nackt im Heckwasser treiben. Sie fuhren durch dichten Nebel. Der Kompass zeigte Ost-Südost. Ihr Blick fiel auf zwei Stummel Fleisch, die im Blut glänzten wie kandierte Früchte: Doukákis’ Penis und, sorgfältig rasiert, der Hodensack. Sie würgte Brechreiz hinunter. Er öffnete eine Tüte Schokoladenrosinen und steckte sich einige in den Mund.
    Schweigend fuhren sie durch dichten Nebel. Hin und wieder überprüfte der Mann die Instrumente, schaute durch ein

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