Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Titel: Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Hensel
Vom Netzwerk:
von fünfzig Mann. Er sah durch sein Nachtsichtgerät: Gerade sechs Mann waren an Deck. Vermutlich drei oder vier auf der Kommandobrücke. Weitere Männer schlafend in den Kojen. Kein Empfang auf seinem Handy. Vielleicht ein Funkloch, wahrscheinlich aber ein Störsender auf dem Boot. Keine Informationen sollten nach außen dringen.
    Er hörte vom Schiff Stimmen, gedämpft, im Nebel. Er schaltete den Außenborder noch einmal ein. Er trug Uniform, sie würden nicht auf ihn schießen. Trotzdem war es besser, wenn er unbemerkt an Bord stieg. Aus der Hand eines Soldaten sah er rote und blaue Blitze schießen, er ging in Deckung – falscher Alarm, bloß ein Videospiel.
    Noch knapp zehn Meter. Der Soldat lehnte an der Reling, vertieft in sein Computerspiel. Gabriel näherte sich, eine Hand am Steuer, in der anderen die Rafqa. Der Soldat sah auf, wollte sich drehen – Gabriel schoss, bevor er ihn sah. Plopp! Machte die Rafqa, und der Soldat am Heck spürte einen Stoß zwischen seinen Schulterblättern. Nicht mehr, keinen Schmerz. Vielleicht hatte eine Möwe eine Muschel auf seinen Rücken fallen lassen. Er hielt sich an der Reling fest, er spürte einen leichten Schwindel. Es wurde ihm heiß in seiner Uniform, er knöpfte die Jacke auf. Grauenvoll schwül war diese Nebelluft. Besser, er setzte sich kurz, hinter dem Kran, wo ihn der Offizier auf der Brücke nicht sah. Welche Schwüle, welche Benommenheit. Täuschte er sich, oder wurde ein Tau über die Reling geworfen? Sah er wirklich den Kopf eines Kameraden über der Bordwand auftauchen? Der Kamerad zog sich am Tau hoch aufs Deck, das war ungewöhnlich, vielleicht sollte er … Das Funkgerät fiel ihm aus der Hand. Er spürte seine Hände nicht mehr, seinen Körper …
    Gabriel stand an Deck. Der Soldat hockte hinter dem Kran, glotzte ihn blöde an. Das Gift hatte sein Gehirn längst erreicht, in wenigen Sekunden würde er einschlafen und nie wieder aufwachen.
    »Pippo?«
    Eine Stimme aus dem Funkgerät.
    »Pippo?!«
    Da kamen schon zwei Soldaten. Sahen ihren Kameraden zusammengesunken auf dem Deck, sahen den fremden Soldaten an der Reling …
    Plopp! Plopp!
    Die Männer waren wachsam, auf einen Feind hätten sie sofort geschossen. Aber dies war kein Feind, er trug ihre Uniform. Aber wie war er auf dieses Schiff gekommen? Warum lag Pippo reglos an Deck? In dem Kleineren, Dicklichen breitete sich das Gift langsam aus, er schaffte es, die Waffe zu heben. Aber schon umspielte ein verdutztes Lächeln seine wulstigen Lippen, er empfing einen Funkspruch und antwortete, alles sei gut. Sein Kamerad lehnte benommen am Kran, gemeinsam sanken sie auf das Deck.
    Wer weit kommen will, muss langsam gehen. Wer viele Feinde töten will, darf sie nicht niedermetzeln. Gabriel empfand fast Zärtlichkeit für seine Rafqa. Die den Feind nicht tötete, sondern sanft in den Schlaf stupste – ohne Lärm, ohne Verdacht. Aus der Deckung eines Rettungsbootes erschoss Gabriel zwei weitere Soldaten, einen dritten, als der gerade die Leiter des Radarturms hinunterstieg. Die Betäubung ließ nach. Der Schmerz breitete sich in seiner Schulter aus. Er musste sich beeilen.

44
    Maria hatte erwartet, in der Offiziersmesse auf alte Männer zu treffen, mit grimmigen Gesichtern und Orden auf der Brust. Der bleiche, ausgezehrte Mann, dessen Kragen und Krawatte viel zu weit um den faltigen, schwarz geäderten Hals hingen, musste Staatssekretär Panourgiás sein. Der Rotwangige, in dessen Wohnung Eléni eingebrochen war, war wohl in den Fünfzigern. Keiner der anderen Putschisten war älter als vierzig. Die Männer waren schlank und glatt rasiert, trugen die Kragen offen und die Hemdsärmel aufgekrempelt. Unterstaatssekretärin Kraniótis war beim Friseur gewesen, das kastanienbraune Kurzhaar saß auf ihrem Kopf wie eine Badekappe. Die einzige andere Frau trug eine hauchzarte, zwischen schwarz und sepia changierende Bluse, diskreten Platinschmuck an Hals und Ohren und eine Patek Philippe am Handgelenk. Ihre perfekt manikürten Hände glitten über ein iPad. Gute Besetzung fürs Außenministerium. Das moderne Gesicht einer modernen Diktatur.
    Maria stand vor der Putsch-Elite Griechenlands. Niemand rauchte. Niemand trank. Bloß Doukákis stand etwas abseits, bewegte leicht die Lippen, als memoriere er seine Antrittsrede.
    »Guten Abend, Fräulein Brecht.«
    »Guten Abend, Herr Staatssekretär.«
    Alle sahen Maria an. Panourgiás hielt sich den künstlichen Kehlkopf an den Hals. In den Gesichtern sah sie

Weitere Kostenlose Bücher