Das Pest-Gewölbe
Zeit?«
»Ja.«
»Wunderbar.« Er schlug auf die Zeitung. »Die lasse ich euch als Souvernir hier.«
»Wir bedanken uns auch im Namen unserer nicht vorhandenen Kinder«, sagte Suko.
»Okay.« Bill schaute auf seine Uhr. »Für mich wird es Zeit. Ich möchte mal wieder Redaktionsluft schnuppern. Danach bin ich mit Sheila verabredet.«
»Ja, da bringst du mich auf etwas«, sagte ich. »Wie ist es mit deiner Frau? Kommt sie mit?«
»Wahrscheinlich.«
»Und weiter?«
»Was meinst du?«
»Nun ja, wird sie auch die Mittelchen des guten alten Nostradamus an sich ausprobieren?«
»Das kann ich dir nicht sagen. Hat sie es denn nötig? Meinst du das?«
»Eigentlich nicht.«
»Eben, deshalb sollen es die Frauen tun, die es nötig haben.« Er forschte in meinem Gesicht. »Und auch die Männer.«
»Danke, ich habe verstanden.«
Bill stand lachend auf. »Wir sehen uns dann morgen auf der Messe. Im Laufe des Vormittags?«
»Einverstanden.«
»Mach’s gut, John. Und denk daran, einen schönen Mann wie dich kann nichts entstellen, nicht mal die Falten…«
»Jetzt hau aber ab!«
Unser Freund verschwand lachend und mit großen Schritten. Grinsend blieben wir zurück. »Eine Buchmesse«, sagte Suko, wobei er die Schultern hob. »Warum eigentlich nicht? Ich habe da schon immer mal dahin gewollt.«
»Kannst du überhaupt lesen?«
»Nein!« knurrte er und fletschte dabei die Zähne. »Aber ich kann mir die Bilder ansehen, Tontilon…«
***
Es waren ein Tag und eine Nacht vergangen, ohne daß sich etwas verändert hätte. Die Alpträume waren nicht mehr zurückgekehrt, und auch das Gesicht im Spiegel hatte Vivian Greyson nicht gesehen.
Dennoch konnte sie die Vorgänge nicht vergessen, und sie hatte auch mit ihrem Mann darüber sprechen wollen. Der aber war so sehr mit der Eröffnung der Messe beschäftigt gewesen, daß er ihr nicht zuhörte. Am Freitagabend jedoch hatte er sich für seine Frau Zeit genommen. Sie wollten gemeinsam essen gehen, und dies ohne Geschäftspartner. Ein rein privates Dinner, denn die offiziellen Essen begannen erst am nächsten Tag.
Bei einem schweizer Starkoch hatte der Verleger einen Tisch reservieren lassen, und er hatte auch nicht vergessen, seine Frau mit Komplimenten während der Fahrt zum Ziel zu überschütten. Darüber hatte sich selbst der Chauffeur gewundert, aber geschwiegen.
Obwohl Vivian die Komplimente guttaten, hatte sie sich gegen die Worte gesträubt und ihren Mann indirekt der Lüge bezichtigt. »Nein, das ist doch nicht so, Ronald. Ich sehe durch die Creme wirklich nicht um Jahre jünger aus, wie du immer behauptest.«
»Du irrst dich.«
»Unsinn.«
»Wenn ich es dir sage. Diese neue oder uralte Creme hat dafür gesorgt, daß deine Haut anders geworden ist, glatter, faltenloser…«
»Aber auch blasser.«
»Das wird sich wiedergeben, Vivian. Laß erst mal die Sonne scheinen.«
»Du hast wirklich Phantasie, Ron.«
»Stimmt, aber in deinem Fall brauche ich das nicht.«
Das Paar war in diesem exzellenten Restaurant bekannt.
Höflich wurde es begrüßt und zu ihrem Stammplatz geleitet.
Das edle Porzellan paßte zum wertvoll aussehenden Interieur. Teppiche schluckten den Schall der Stimmen, und das Licht der Kronleuchter fing sich im Kristall der Weingläser.
Wer das Restaurant betrat, hatte den Eindruck, die normale Welt einfach hinter sich zurückgelassen zu haben. Hier war alles anders, hier befand man sich auf einer Bühne, über die man nicht ging, sondern schwebte.
Die Stühle wurden ihnen zurechtgerückt, sie nahmen Platz und bekamen den üblichen Aperitif gereicht, zwei Gläser mit bestem Champagner. In die Karte wollten beide nicht schauen, sie entschieden sich für das Menü des Tages. Davon waren sie noch nie enttäuscht worden. Man gab ihnen nur preis, daß sich der Chef bei dem heutigen Menü zu einer italienischen Komposition entschlossen hätte.
»Das wird meiner Frau und mir sicherlich schmecken«, schwärmte der Verleger.
»Sie werden begeistert sein, Sir.« Der Oberkellner verbeugte sich und verschwand.
Ronald Greyson lehnte sich zufrieden zurück. Er war ein schlanker Mann mit grauen Haaren, der nur zum Lesen eine Brille benötigte. Sein Gesicht hatte weiche Züge angenommen, eine Alterserscheinung. An den Schläfen waren seine Haare schon verschwunden. »War das ein Tag heute. Voller Hektik. Sei froh, daß du im Haus geblieben bist, Vivian.«
»Ich hätte sowieso nicht mitgewollt.«
»Warum nicht?«
»Weil ich mich nicht gut gefühlt
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