Das Pest-Gewölbe
habe. Und das ist auch jetzt so geblieben.«
»Denkst du noch immer über dein Gesicht nach?«
»Natürlich. Mehr als sonst.«
»Warum?«
Vivian verkniff sich die Antwort, denn der Champagner wurde serviert.
»Das kann ich dir genau sagen. Ich bin einfach falsch angezogen.«
»Tatsächlich?«
»Ja, Ron. Ich hätte nicht dieses dunkle Kostüm anziehen sollen. Es macht mein Gesicht noch bleicher.«
Er faßte über den Tisch hinweg nach ihrer Hand. »Aber das stimmt doch nicht. Du siehst prima aus.«
»Sehe ich nicht. Ich spüre es doch.«
»Was?«
Sie winkte ab. »Schon gut.« Dann faßte sie nach ihrem Glas, hob es an und prostete ihrem Mann zu. »Auf daß dieser Abend trotz allem ein Erfolg wird.«
Beide tranken. Beide waren mit dem Getränk zufrieden, aber der Verleger nicht mit der Antwort seiner Frau. Auch deren vorherige Bemerkungen wollten ihm nicht aus dem Kopf. »Warum sollte der Abend kein Erfolg werden? Zum zweiten hast du davon gesprochen, daß du etwas spürst.«
»Richtig.«
»Darf ich dich fragen, was es ist?«
Vivian überlegte. »Willst du es wirklich wissen?«
»Ja, natürlich.«
Sie hüstelte leicht gegen ihren Handrücken und schaute auf die Kerzenflamme. »Das ist nicht einfach zu sagen oder ganz simpel, wie man es nimmt. Ich spüre ein Brennen unter der Haut. Ein leichtes, ungewöhnliches Brennen, als hätte ich zu lange in der Sonne gelegen. Es ist nicht schlimm, wirklich nicht, aber es ist vorhanden, und ich habe es erst, seit ich diese Creme auftrug. Ich habe versucht, sie zu entfernen, aber es klappte nicht.«
»Wieso?«
»Frag doch nicht, Ron. Sie ist noch drauf. Ich wollte dich fragen, ob du dieses Zeug von einem Chemiker hast analysieren lassen?«
»Nein, das ist nicht geschehen.«
»Das hättest du aber tun sollen.«
Ronald Greyson nickte. »Wenn du es so siehst, dann muß ich dir recht geben. Ich werde es nachholen.«
»Hoffentlich ist es dann nicht zu spät.«
»Wie meinst du das?«
Sie winkte ab.
»Schon gut, Ron. Ich bemühe mich ja, nicht daran zu denken oder es zu vergessen, aber es ist nicht einfach, das wollte ich dir auch sagen.«
»Klar, ich verstehe dich.«
Zwei Ober brachten einen Gruß aus der Küche. Winzige Lachsröllchen in einer perfekten Soße, wie das Ehepaar nach dem ersten Bissen feststellte.
Beide liebten gutes Essen, und als Verleger spielte Ronald Greyson mit dem Gedanken, auch Kochbücher in sein Programm aufzunehmen. Er wollte mal mit dem Chefkoch und Besitzer des Restaurants reden, aber erst nach der Messe.
Er erhielt die Karte und suchte die Weine aus. Eigentlich akzeptierte er nur die Vorschläge, denn er wußte ja nicht, was sie erwartete.
»Entschuldige mich bitte«, sagte Vivian und erhob sich. »Ich bin gleich zurück.«
Ronald wollte sie noch etwas fragen, aber Vivian hatte bereits abgedreht und war auf dem Weg zu den Waschräumen und Toiletten. Selbst dort war der Hauch von Luxus zu spüren, der sich überall in dieser Umgebung verteilte.
Die Tür schwappte hinter Vivian zu, und sie war froh, allein im Waschraum zu sein.
Für einen Moment lehnte sie sich gegen die Wand, schloß die Augen und hoffte, daß alles, was sie erlebte, nicht sein konnte oder durfte.
Angst hielt sie gepackt, und sie traute sich wieder einmal nicht, in einen Spiegel zu schauen. Dabei spürte sie, daß sich das Brennen auf ihrem Gesicht verstärkt hatte, als hätte die Haut eine bestimmte Röte bekommen.
Vivian konnte sich nicht erklären, woran es lag. Sie schob es auch auf den genossenen Alkohol, gestand sich aber gleichzeitig ein, daß dies nur eine Ausrede war.
Nein, mit ihr war etwas geschehen, etwas ganz Bestimmtes, und sie kam damit nicht zurecht. Sie wußte auch nicht, welche Reaktionen sich auf oder unter ihrer Haut abspielten, jedenfalls hätte sie ein Vermögen dafür gegeben, die Creme wieder aus dem Gesicht zu bekommen. Damit wäre auch die Furcht vor dem Spiegel verschwunden gewesen.
Leise Musik durchwehte den Waschraum. Es waren keine Klänge, die aufpeitschten oder aufrüttelten. Weiche Tanzmusik, süßlich gespielt, auch klassische Melodien, aber das alles rauschte an ihr vorbei, als sie auf den breiten Spiegel zutrat.
Sie schaute hinein.
Die gesamte Fläche gehörte ihr. Sie war wie ein breites Meer ohne Wellen, und das perfekte Licht sorgte dafür, daß sie jede Einzelheit in ihrem Gesicht erkennen konnte.
Sie hatte Ronald immer gesagt, daß ihre Haut zu bleich war. Zumindest blasser als sonst, und sie hatte damit den Nagel
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