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Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
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gepolsterten Sofa und beschäftigte sich damit, ein Deckchen zu besticken. Vor ihr auf dem Tisch lagen jede Menge bunte Garnrollen. Als Eugenie und Marianne näher traten, legte sie ihre Arbeit zur Seite. Mitleidig sah sie Marianne an und griff sogar nach ihrer Hand.
    »Es tut mir so leid, mein Kind. Wir waren alle entsetzt. Die arme Helene, das hat sie nicht verdient. Niemand konnte so etwas Schreckliches vorhersehen.«
    Marianne sah Anna Margarethe irritiert an. Diese Art von Freundlichkeit ihr gegenüber war sie nicht gewohnt. Sie wusste nicht so recht, was sie antworten sollte, also nickte sie stumm. Anna Margarethe schien nichts anderes erwartet zu haben. Sie sprach einfach weiter und verfiel jetzt wieder in den üblichen Befehlston, der Marianne stets zuwider war.
    »Du wirst zu Eugenie und Eleonore ziehen. Die beiden werden sich ab jetzt um dich kümmern. Auf den Fahrten kannst du gern mir Gesellschaft leisten.« Ihr Blick wanderte zu Eugenie.
    »Und auch du darfst zu uns stoßen, meine Liebe.«
    »Sehr gern«, antwortete Eugenie stolz, während Marianne vor dem Gedanken, mit der ungeliebten Generalsfrau die Tage in einer engen Kutsche verbringen zu müssen, zurückschreckte.
    »Es ist mir ein große Freude.« Eugenie strahlte.
    »Eher ein Vergnügen«, verbesserte Anna Margarethe und lächelte nachsichtig. Dann musterte sie Marianne näher.
    »Du bist noch nicht umgezogen. Dein Kleid können wir wahrscheinlich wegwerfen, Blutflecken sind schwer zu entfernen. Eugenie soll sich darum kümmern, dass du neu eingekleidet wirst, und wir sehen uns dann später zur Abendandacht, die der Pfarrer extra für die Tote anberaumt hat.«
    Marianne blickte an sich hinunter. Erst jetzt bemerkte sie die bereits getrockneten Blutflecken auf ihrem Kleid.
    Für Anna Margarethe war damit das Gespräch beendet, und sie wandte sich wieder ihrer Stickarbeit zu. Marianne und Eugenie verließen unter den mitleidigen Blicken der anderen Damen das Zelt.
    Eugenie geriet auf dem Weg zu ihrer neuen Unterkunft ins Schwärmen.
    »Ist es nicht wunderbar? Wir dürfen reisen mit die Madame Anna Margarethe. Ich bin entzückt.«
    Marianne folgte ihr. In ihrem Kopf hatte es zu hämmern begonnen, und der dicke Kloß im Hals kehrte zurück. Traurig berührte sie mit den Fingerspitzen die braunen Flecken auf ihrem Kleid und begann erneut zu frieren.
    *
    Einige Tage später tobte ein schreckliches Gewitter über dem Lager, und Blitze zuckten über den dunkelgrauen Himmel, denen laute Donnerschläge folgten, die den Boden erzittern ließen. Eine Sturmböe nach der anderen suchte die wenig stabilen Hütten und Zelte der Trossmitglieder heim. Planen und Stoffe flogen durch die Luft oder schwammen in den riesigen Pfützen, in die unaufhörlich der Regen prasselte.
    Marianne saß bei Milli im Karren und blickte missmutig nach draußen. Eben noch war es ein sonniger Spätnachmittag gewesen, doch die brütende Hitze des Tages hatte das Gewitter bereits angekündigt.
    Jeden Tag, wenn sie ihr Lager für die Nacht aufschlugen, floh Marianne zu Milli. Hier fühlte sie sich sicher. Milli akzeptierte ihr Schweigen. Die Marketenderin war schockiert, aber wirklich mitgenommen hatte sie Helenes Tod nicht. Das blonde Mädchen war ihr immer schon suspekt gewesen, und auch ihre Ausflüge in die Betten der Männer waren ihr nicht verborgen geblieben.
    Milli beschäftigte sich heute damit, bunte Holzperlen, die sie in den Überresten eines Klosters gefunden hatte, auf Fäden aufzuziehen. Für die feinen Damen der Generäle war dieser banale Schmuck nichts, aber die einfacheren Frauen im Lager mochten solche Zierart.
    Irgendwann blickte sie von ihrer Arbeit auf und musterte Marianne kopfschüttelnd.
    »Willst du mir nicht ein wenig helfen? Du kannst doch nicht den ganzen Tag Trübsal blasen, das Leben geht weiter.«
    Marianne blickte auf die Perlen.
    Aufmunternd hielt Milli ihr einen Faden hin.
    »Es ist gut, etwas zu tun zu haben«, sagte sie leise, »auch wenn es nichts Besonderes ist.«
    Marianne griff nach dem Faden. Die alte Frau atmete auf.
    Das Gewitter zog langsam weiter, und die Donnerschläge ließen nach, nur der Regen prasselte auf das Dach des Karrens.
    Milli deutete nach draußen.
    »Wenn das so weitergeht, dann kann ich mein Geschäft für heute Abend vergessen.«
    Marianne reagierte nicht auf ihre Worte. Das Auffädeln der Perlen machte ihr Spaß. Sie kombinierte die unterschiedlichsten Farben und Größen und versuchte, verschiedene Muster zu

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