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Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
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Künstler nickte und verneigte sich vor Marianne, die beschämt zu Boden blickte. Noch nie hatte sich jemand vor ihr verbeugt.
    »Ich habe von Eurer Tapferkeit gehört, meine Teuerste. Das ganze Lager spricht davon. Ihr seid eine Heldin.«
    Marianne errötete. Anna Wrangel zeigte auf den kleinen Bilderrahmen in Mariannes Hand.
    »Könnt Ihr ein Gemälde anfertigen, das so klein ist, dass es dort hineinpasst?«
    Merian verneigte sich erneut.
    »Aber selbstverständlich.«
    Anna Margarethe nickte zufrieden.
    »Gut.« Sie wandte sich an Marianne. »Dein Antlitz wird in dem Rahmen bezaubernd aussehen. Wenn du möchtest, kannst du das Bild Albert zur Hochzeit schenken.«
    Marianne sah sie erstaunt an. Sie hatte gar nicht gewusst, dass sie ihrem zukünftigen Gatten etwas schenken musste.
    Anna Wrangel führte den Künstler in den hinteren Teil des Zeltes, und während Margaretha, die siebenjährige Tochter von Anna Margarethe, von ihrem Kindermädchen ins Zelt geführt wurde, sank Marianne in einer Ecke auf die Kissen und fuhr bewundernd mit den Händen über den filigranen Rahmen. Ein Gemälde, ein richtiges Bild von ihr. Niemals im Leben hatte sie zu hoffen gewagt, dass es so etwas einmal geben würde.
     
    Als Marianne am nächsten Morgen ihre Augen aufschlug, war irgendetwas anders. Sie überlegte, dann fiel es ihr auf. Es war still, es hatte endlich aufgehört zu regnen. Sie setzte sich auf und griff nach dem winzigen Gemälde, das neben ihr auf dem Kopfkissen lag, und strich bewundernd mit den Fingern darüber. Sie sah darauf so wunderschön und lebendig aus, als würde sie gleich aus dem Rahmen springen. Ihr schwarzes Haar umrahmte ihr Gesicht, ihre Haut war glatt, die Wangen waren leicht gerötet, und ihre Augen schimmerten leuchtend blau.
    Marianne hielt das Bild in die Höhe, drehte es hin und her und erfreute sich daran, wie die Farben im Sonnenlicht schimmerten. Sie sollte es Milli zeigen, bestimmt würde sie sich mit ihr freuen. Die Marketenderin würde verstehen, warum Marianne stolz darauf war.
     
    Kurze Zeit später trat sie aus dem Zelt und atmete die kühle, nach Erde und Gras duftende Luft ein. Nebel hing über den Feldern. Es war noch ruhig. Einige Mägde liefen schwatzend an ihr vorüber, und zwei Knechte verschwanden, einen großen Spiegel tragend, in einem der größeren Zelte.
    Marianne wandte sich nach rechts und schlich zwischen Büschen und wilden Rosen auf einen kleinen Feldweg, der direkt an den Wachen vorbei ins Lager führte.
    Erleichtert tauchte sie kurz darauf in das bunte Durcheinander von Planen, Karren, Zelten und provisorischen Hütten ein. Es duftete nach Holzrauch und gebratenen Eiern. Kinder kreischten, Frauen liefen schwatzend an ihr vorüber, der ein oder andere Lagerbewohner nickte ihr zu oder grüßte freundlich, und sogar die Huren, die sie bisher immer gemieden hatten, winkten ihr zu, als sie an deren Zelten vorbeikam.
    Wenig später blieb sie erstaunt vor Millis Lagerplatz stehen. Irgendetwas störte sie. Die Bänke standen wie immer an ihren Plätzen, aber es brannte kein Feuer.
    Milli wühlte geschäftig in ihrem Karren herum.
    Marianne trat neugierig näher.
    »Was tust du da?«, fragte sie.
    Milli drehte sich um und griff sich erleichtert an die Brust. »Ach, du bist es, Kindchen. Hast mich ganz schön erschreckt.« Sie musterte Marianne skeptisch. »Warst lange nicht mehr hier. Bist jetzt was Besseres geworden, seitdem du Anna Wrangel gerettet hast.«
    Marianne wich ein Stück zurück. So harsche Worte war sie von Milli nicht gewohnt.
    »Ich durfte den Feldherrenhof nicht verlassen. Anna Margarethe hat Angst um den Kleinen, er darf nicht krank werden.«
    Milli hängte sich einen Korb an den Arm und griff nach einem weiteren, der neben ihr auf dem Boden stand.
    »Früher hast du dich auch fortgeschlichen.« Sie ging an Marianne vorbei.
    Marianne schob ihr kleines Gemälde wieder in die Rocktasche und blickte der Marketenderin verwundert hinterher.
    Doch dann raffte sie ihre Röcke und folgte ihr. So konnten sie doch nicht auseinandergehen. Milli verstand das falsch.
    »Ich habe es doch schon gesagt«, rechtfertigte sie sich erneut. »Sie hat niemanden fortgelassen, hat uns regelrecht eingesperrt.«
    Milli lief einfach weiter.
    »Das ist doch Unsinn. Andere Kinder kommen auch hier zur Welt. Denkst du, für die ist es leichter? Keine Mutter will ihr Kind sterben sehen. Und Durchfallerkrankungen gibt es, seit ich denken kann, die machen nicht halt vor Wachen und

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