Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
Vom Netzwerk:
Junge war abgemagert und blass geworden. Jedes Mal, wenn er den Raum betrat, flackerte in seinen Augen eine seltsame Art von Furcht auf. Wovor fürchtete er sich? Was machte ihm hier so schreckliche Angst?
    »Du willst nicht mit mir reden, oder?«, fragte der Mönch und ging damit zum ersten Mal in die Offensive.
    Anderl reagierte nicht.
    »Aber ich will dir doch nichts tun.« Er rückte näher an den Jungen heran. Sofort wich Anderl zurück.
    Pater Franz musterte ihn nachdenklich.
    »Ich weiß, dass du Marianne vermisst. Das tun wir alle. Mir tut es genauso weh, aber ich kann sie nicht zurückbringen. Niemand kann das. Ich habe ihr versprochen, dass ich für dich da sein werde. Und dieses Versprechen werde ich halten, verstehst du das?«
    Anderl reagierte nicht.
    »Ich werde dafür kämpfen, dass du bald frei sein wirst.«
    Er streckte seine Hand nach der des Jungen aus, doch Anderl zog seine sofort weg. Der Mönch schloss die Augen. Hier waren Fingerspitzengefühl und Geduld gefordert.
    Der Schlüssel wurde ins Schloss gesteckt, und Karl betrat den Raum.
    »Die halbe Stunde ist um, Mönch.«
    Pater Franz stand auf und sah Anderl traurig an. »Ich komme nächste Woche wieder«, verabschiedete er sich.
    Anderl reagierte noch immer nicht. Doch als sich die Tür hinter dem Geistlichen schloss, begannen plötzlich Tränen über seine Wangen zu laufen.
    Was konnte der Mönch schon tun, der davon sprach, ihm zu helfen. Marianne musste wiederkommen. Er brauchte sie, ohne sie konnte er nicht sein.
    *
    Wenig später betrat Pater Franz den inneren Hof des Klosters und schlug den Weg zu seiner Zelle ein, um sich dort zu sammeln und zu beten. Gott strafte ihn mit immer neuen Prüfungen, denen er sich allmählich nicht mehr gewachsen fühlte.
    Doch dann ließ ihn lautes Rufen innehalten. Pater Johannes kam aufgeregt winkend über den Hof gelaufen und blieb schwer atmend vor ihm stehen.
    »Maurus Friesenegger ist vor einer Stunde eingetroffen. Er erwartet dich im Refektorium.«
    Pater Franz blickte gen Himmel.
    Anscheinend hatte Gott ihn doch noch nicht ganz vergessen. Er hatte seinen geliebten Freund und Kollegen stets in seine Gebete eingeschlossen, damit ihm kein Unrecht oder Leid geschehe und er ohne Schwierigkeiten den Weg zu ihnen finden würde. Wenigstens diesen Wunsch schien ihm der Herr erfüllt zu haben. »Endlich einmal gute Nachrichten«, erwiderte er erleichtert und klopfte Pater Johannes auf die Schulter.
    Als Pater Franz die Tür zum Refektorium öffnete, kam Maurus Friesenegger mit ausgebreiteten Armen auf ihn zu und drückte ihn herzlich an sich.
    »Mein lieber Pater Franz, es ist so schön, Euch wiederzusehen. Nach all dieser Zeit voller Schrecken und Angst.«
    »Seid gegrüßt, Maurus«, erwiderte Pater Franz. »Ja, es ist wunderbar, Euch wohlbehalten und gesund zu sehen. Ich freue mich unendlich über Euren Besuch.« Er führte Maurus aus dem Raum. »Ihr müsst mir unbedingt erzählen, wie es Euch ergangen ist.«
    Pater Johannes folgte ihnen wie ein Schatten und schloss lächelnd die Tür hinter sich. Seit Tagen hatte er Pater Franz nicht mehr so glücklich gesehen. Es war ein Segen, dass Maurus Friesenegger gerade heute eingetroffen war. Jetzt musste nur noch das Mädchen aufwachen, und dann würde sich alles fügen.
     
    Später am Abend saßen die beiden Äbte beieinander und redeten. Die Kerzen waren bereits weit heruntergebrannt, doch die beiden schienen es nicht zu bemerken. Maurus Friesenegger schilderte seit Stunden, was ihm widerfahren war und wie es im Kloster am Heiligenberg zuging. Er berichtete davon, wie die Stadt München mit den Flüchtlingsströmen zurechtgekommen war, und von seiner Zeit am Tegernsee. In allen Einzelheiten schilderte er den Aufbau der Universität in Salzburg und erzählte von der Gastfreundschaft des Erzbischofs Paris Graf Lodron, der ihn mit offenen Armen empfangen und ihm die Hochschule gezeigt hatte, die er in den letzten Jahren aufgebaut hatte.
    Pater Franz hörte ihm fasziniert zu und erzählte zwischendurch, wie es dem Kloster und Rosenheim ergangen war. Er berichtete von dem Überfall der Schweden und von deren Ausbezahlung, doch Marianne erwähnte er mit keinem Wort.
    Maurus Friesenegger wusste, dass sein Freund ein Mündel hatte, denn es war durchaus üblich, dass Menschen in den Schutz eines Klosters flüchteten, eine Weile dort lebten und dann in ihr Leben zurückkehrten. Wie genau die Beziehung zu dem Kind gewesen war, das sein Freund vor vielen Jahren kurz auf

Weitere Kostenlose Bücher