Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
Vom Netzwerk:
rechte Pobacke.
    »Das hast du gut gemacht, mein Junge. Ich werde dafür sorgen, dass du belohnt wirst.«
    Anderl wusste, wie diese Belohnung aussehen würde. Karl würde ihm heute etwas mehr zum Abendessen bringen, wenn er Glück hatte, ein Stück Fleisch und einen Becher Wein. Wenn der gierige Wärter es nicht wieder für sich behielt und dem Jungen den üblichen Haferschleim brachte.
    »Ich habe nächste Woche ein Gespräch mit dem Bürgermeister«, wiederholte August den immer gleichen Satz. »Ich werde sehen, was ich für dich tun kann. Vielleicht kann ich deine Strafe abmildern. Immerhin bin ich dein Freund.«
    Er zog den Schlüssel aus seiner Westentasche, öffnete die Tür und verließ den Raum. Krachend fiel die schwere Tür hinter ihm ins Schloss, und Anderl war allein.
    Langsam richtete er sich auf, zog die Hosen hoch und warf sich bäuchlings aufs Bett. Nachdenklich blickte er zum Fenster. Es war bereits später Nachmittag, graue Regenwolken hingen seit heute Morgen am Himmel und raubten ihm das Zeitgefühl. Irgendwann würde der Tag in Finsternis versinken wie all die anderen Tage, die er nicht gezählt hatte, an denen er Marianne sehnsüchtig vermisste und ihm vor Kummer alles weh tat.
     
    Zufrieden lächelnd trat Stanzinger aus dem Gefängnis, doch seine Miene verfinsterte sich, denn Josef Miltstetter lehnte an der Mauer neben dem Eingang und wartete auf ihn.
    »Da seid Ihr ja, Büttel. Na, hat es Spaß gemacht?«
    August Stanzinger ging an ihm vorbei.
    »Was wollt Ihr?«
    »Das wisst Ihr genau«, erwiderte Josef. »Der Junge soll endlich hingerichtet werden, denn die Sache wird zu heiß.«
    Er hielt den Büttel an der Schulter fest.
    »Für uns beide.«
    Stanzinger riss sich los.
    »Es ist meine Sache, wann der Junge hingerichtet wird. Ich spiele inzwischen sogar mit dem Gedanken, es nicht zu tun.«
    Josef riss die Augen auf.
    »Das könnt Ihr nicht machen. Er wird mir die Brauerei wegnehmen, denn er ist der rechtmäßige Erbe. Was ist, wenn das Mädel aufwacht und doch noch redet? Dann sitzen wir beide in einem Boot.«
    August Stanzinger sah Josef böse an.
    »Das ist Euer Problem. Ihr habt es nicht richtig aus der Welt geschafft. Also seht zu, wie Ihr es jetzt löst.«
    Er beschleunigte seine Schritte.
    Josef blieb stehen. Wut schäumte in ihm auf.
    »Damit Ihr Euch nur nicht die Finger schmutzig machen müsst, nicht wahr!«
    Stanzinger lief weiter.
    Fluchend sprang Josef zur Seite, als ein Karren direkt vor ihm durch eine große Pfütze fuhr.
    Er blieb noch eine Weile auf der Straße stehen und blickte nachdenklich in die Richtung, in die der Büttel verschwunden war.
    Langsam wurde er sich der Tatsache bewusst, dass es dieser Mann durchaus fertigbringen könnte, ihm allein den Mord an Hedwig Thaler anzuhängen. Vielleicht war die Idee, den Büttel zu erpressen, doch nicht so gut gewesen. Irgendwie musste er die Sache in Ordnung bringen. Er wusste nur noch nicht, wie.
    *
    Die Worte des Angelus-Gebetes kamen Pater Franz heute nur schwer über die Lippen. Immer wieder versprach er sich und musste neu beginnen. Es war ein kühler Septembermorgen, und in der Kirche des Klosters lag eine unangenehme Nässe in der Luft. Dankbar seufzte er innerlich, als auch die letzten Gebete gesprochen waren, die Mönche sich erhoben und schweigend die Kapelle verließen. Nur Pater Johannes blieb bei ihm.
    »Noch immer liegt sie in tiefem Schlaf. Langsam verliere ich die Hoffnung, dass das Mädel überhaupt noch aufwacht«, sagte er leise und runzelte sorgenvoll die Stirn.
    Pater Franz blies die Kerzen am Altar aus und blickte nachdenklich zum Christuskreuz hinauf.
    »Was haben wir unserem Herrn nur angetan, dass er uns so straft. Krieg und Seuchen schickt er uns, lässt uns keine Ruhe finden. Und jetzt sieht es immer mehr danach aus, als würden wir sogar diesen Kampf verlieren.«
    Verzweifelt schlug er mit der Faust auf den Altar und senkte sein Haupt.
    »Das kann es doch nicht sein. Er darf nicht gewinnen. Ich habe es Marianne versprochen. All unsere Hoffnung liegt in der jungen Frau. Sie muss einfach wieder aufwachen.«
    Pater Johannes trat hinter seinen Freund.
    »Gottes Wege sind unergründlich. Vielleicht ist dies seine Art, uns in unserem Glauben zu prüfen.«
    Pater Franz schaute sich um, Tränen schimmerten in seinen Augen. »Du hast recht, Johannes. Ich habe es an Demut mangeln lassen.«
    Gemeinsam verließen sie die Kirche und gingen den Kreuzgang hinunter. Auf dem Innenhof lagen bunte Rosenblätter auf

Weitere Kostenlose Bücher