Das Pestkind: Roman (German Edition)
war einst Zimmermann gewesen und hatte sich auf seinem Weg durch die Lande der Armee angeschlossen. Wieso er irgendwann Feldwebel geworden war, konnte er selbst nicht begreifen, denn er hielt sich nicht für einen besonders guten Soldaten, und so viel Ehrgeiz wie manch anderer legte er auch nicht an den Tag. Er war froh über das Kriegsende, und die Aufgabe, Marianne zu begleiten, war für ihn keine Last. Im Gegenteil, er freute sich auf die Reise, denn er hatte die Gegend rund um Rosenheim sehr gemocht, und vielleicht würde er dort Arbeit als Zimmermann finden.
»Sie möchte nach Osten, bis wir den grünen Fluss erreichen. Wie hieß er noch gleich?« Er zwinkerte Marianne aufmunternd zu.
Marianne atmete erleichtert auf. Wenigstens einer ihrer beiden Begleiter schien etwas geduldiger und freundlich zu sein.
»Der Fluss heißt Inn«, antwortete sie.
Caspar warf Justus einen missbilligenden Blick. »Na, dann wollen wir uns mal beeilen, damit wir bald wieder zurückkommen.«
Die Gruppe wandte sich nach Osten, und Caspar legte ein flottes Tempo vor. Nach einer Weile erreichten sie ein kleines Waldstück. Erschöpft blieb Marianne stehen und hielt sich an einem Baum fest. Caspar sah sie ungeduldig an, während Justus zu ihr zurückging und ihr seine Trinkflasche reichte. Vereinzelt fielen Schneeflocken vom Himmel. Marianne nahm dankbar einen großen Schluck aus der Flasche und blickte sich um. Seit einigen Tagen hatte bereits Schnee in der Luft gelegen, aber dass es jetzt tatsächlich zu schneien begann, erschreckte sie ein wenig. Mit Grausen dachte sie an die bevorstehende Nacht. Es würde sicher nicht besonders angenehm werden, irgendwo im Wald an einem Lagerfeuer zu schlafen.
Dankbar gab Marianne Justus die Trinkflasche zurück.
Laute Rufe ließen die Gruppe aufblicken.
»Bitte, so wartet doch.«
Elise kam hinter ihnen her. Sie atmete schwer und trug ein Bündel über der Schulter. Verwundert starrten die drei das Mädchen an. Marianne hatte sich die ganze Zeit über schon gefragt, wohin ihre Freundin verschwunden war, denn zu ihrem Abschied war das blonde Mädchen nicht erschienen.
Außer Atem blieb Elise vor ihnen stehen und stellte ihr Bündel auf den Boden. Auch sie trug ein schlichtes braunes Wollkleid und einen warmen Umhang.
»Ich komme mit euch«, sagte sie. Entsetzt sah Caspar das Mädchen an und begann lautstark loszupoltern.
»Noch ein Gör, das seinen Kopf durchsetzen will. Ja sind denn hier alle verrückt geworden. Eine Tracht Prügel ist das Richtige für euch beide.«
Marianne und Elise zogen die Köpfe ein. Inzwischen schneite es stark, und ein unangenehm kalter Wind zerrte an den Umhängen.
Marianne sagte zu Elise:
»Aber, das geht doch nicht. Anna Margarethe wird wütend werden. Bitte geh zurück.«
Doch Elise schüttelte stur den Kopf.
»Nein, das werde ich nicht tun. Ich komme mit euch. Nichts hält mich in diesem Lager, und ich werde dich nicht allein lassen, Marianne.« Sie warf Caspar einen abfälligen Blick zu. »Du brauchst eine Freundin an deiner Seite. Was sollen denn die Leute denken, du allein mit zwei Männern auf Reisen.«
Marianne musste innerlich schmunzeln. Was die Leute dachten, war ihr schon lange egal. So schnell konnte sie nichts schrecken. Sie musste aber zugeben, erleichtert darüber zu sein, dass Elise ihnen gefolgt war, denn es war wirklich besser, eine Freundin bei sich zu haben.
Justus versuchte unterdessen, Caspar zu beruhigen, und hob beschwichtigend die Hände.
»Eigentlich ist es doch gleichgültig, ob wir eine Frau oder zwei dabeihaben. Wahrscheinlich ist es so wirklich besser. Dann soll sie eben mitkommen.«
Caspar seufzte und warf Elise einen finsteren Blick zu.
»Meinetwegen. Aber sie sollen aufhören zu jammern. Ich gebe das Tempo vor, und es wird getan, was ich sage, verstanden?« Caspar setzte sich fluchend in Bewegung.
»Weibsvolk, nichts als Ärger hat man damit.«
Die anderen folgten ihm amüsiert grinsend, und Justus zwinkerte den Frauen aufmunternd zu. Marianne hakte sich nach einer Weile bei Elise unter, und als sie kurz darauf einen Feldrand erreichten, hörte es auf zu schneien, und die Sonne kam zwischen den Wolken hervor.
Schweigend liefen die beiden Frauen nebeneinander her. Marianne blickte über die kahlen Wiesen. Am Horizont türmten sich graue Wolken auf, die im Licht der Sonne gelblich schimmerten, und am Wegrand taute der frische Schnee bereits wieder. Immer noch wehte ein kühler Wind. Marianne zog ihre Kapuze über den
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