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Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
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wurde geöffnet, und ein Mann mittleren Alters betrat den Raum. Mit ausgebreiteten Armen und einem Lächeln im Gesicht kam er auf den Abt zu.
    »Meine Haushälterin hat mir eben berichtet, welch hohen Besuch ich bekommen habe. Es freut mich sehr, Euch kennenzulernen, Pater. Ich habe bereits so viel von Euch gehört.«
    Er griff nach der Hand, die Pater Franz ihm entgegenstreckte.
    Der Mönch lächelte ebenfalls, musterte den Mann aber eher skeptisch. Die freundliche Art des Richters hatte etwas Bemühtes an sich. Constantin von Lichtenberg schien um die vierzig zu sein und trug eine dunkelhaarige Perücke, wie es zur Zeit bei den Adligen Mode war. Sein Wams und seine Hosen aus schwarzem Samt waren etwas zu weit für seinen schlaksigen Körper. Er hatte bereits viele Falten um seine grünen Augen, die halb unter Schlupflidern verschwanden. Trotz der überschwänglichen Begrüßung machte er auf Pater Franz keinen besonders herzlichen Eindruck.
    Er legte seinem Gast vertrauensvoll den Arm um die Schultern und geleitete ihn zum Tisch.
    Als die beiden gerade Platz nahmen, betrat Josefa mit einem Tablett den Raum. Eine Teekanne, zwei Tassen, Teller, ein ganzer Gugelhupf und kleine Schinkenpasteten hatten darauf Platz gefunden.
    Sie deckte rasch den Tisch, schenkte Tee ein und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum.
    Wohlwollend blickte der Amtmann auf die Köstlichkeiten.
    »Sie ist eine Perle. Ich bin erst seit einer knappen Woche hier und habe bereits zugenommen.«
    Er griff nach dem Teller mit den Pasteten und bot seinem Gast davon an. Doch der Mönch lehnte dankend ab. Genusssucht war, besonders im Hinblick darauf, dass viele andere Menschen im Land noch immer hungerten, für ihn eine Sünde. Vorsichtig nippte er an seinem Tee.
    »Ja, unsere Josefa hat den Ruf einer guten Köchin.«
    Der Richter wischte sich mit einer Serviette den Mund ab und wandte sich mit ernster Miene an seinen Gast.
    »Die Stärkung wird mir guttun. In den nächsten Tagen kommt eine Menge Arbeit auf mich zu. Der Tod meines Vorgängers liegt doch einige Wochen zurück, und es haben sich mehrere Fälle angesammelt.«
    »Ich hoffe, Ihr werdet mit Bedacht handeln und jeden Fall genau prüfen.«
    Der Richter sah ihn verwundert an.
    »Hat das mein Vorgänger nicht getan?«
    Der Mönch hob abwehrend die Hände.
    »Richter Bichler war ein patenter und gerechter Mann. Gott möge seiner Seele gnädig sein. Es ist nur …« Er hielt kurz inne. »Ich denke«, fuhr er fort, »dass es für Euch nicht immer leicht sein wird, ein richtiges Urteil zu fällen, denn gewiss sind doch auch Fälle dabei, die viele Fragen aufwerfen.«
    Constantin von Lichtenberg sah den Mönch verwundert an.
    »Ihr interessiert Euch für solche Dinge?«
    »Durchaus.«
    Der Richter wirkte irritiert. Einem Mönch, der Interesse an der Gerichtsbarkeit zeigte, war er bisher noch nie begegnet.
    »In der Regel ist es klar, wer der Täter ist. Aber Ihr habt natürlich recht, auch ich habe bereits Fälle erlebt, bei denen ich mich fragte, ob ich nicht einen Unschuldigen auf das Schafott schicke. Aber häufig ist das noch nicht vorgekommen, und auch hier sprechen die vorliegenden Unterlagen eine klare Sprache.«
    Pater Franz seufzte innerlich.
    Darunter war auch Anderls Fall. Was sollte dieser Mann auch anderes denken, dachte er. Hedwig Thaler war erschlagen worden, und es gab einen angeblichen Zeugen, der den Sohn dabei beobachtet hatte. An Anderls Schuld gab es laut der Anklageschrift nichts zu rütteln.
    »Und was wäre, wenn es in einem dieser Fälle eine neue Beweislage gäbe?«, fragte er und biss sich auf die Zunge. Er hatte gar nicht so weit gehen wollen. Nur ein Antrittsbesuch, ein gegenseitiges Vorstellen sollte es sein.
    Verwundert sah ihn sein Gegenüber an.
    »In welchem der Fälle?«
    Der Abt zögerte, doch dann gab er sich einen Ruck. Er konnte nicht mehr zurück.
    »Im Fall Anderl Thaler.«
    Der Richter zog die Augenbrauen hoch.
    »Im Fall des Mörders? Na, das müssen dann aber sehr hochwertige Argumente sein, denn es gibt einen Zeugen, der ihn bei der Tat beobachtet hat.«
    Pater Franz zitterte innerlich vor Anspannung.
    »Der Zeuge lügt, dessen bin ich mir sicher.«
    Dem Richter glitt beinahe seine Teetasse aus der Hand. Und sein aufgesetztes Lächeln hatte er auch verloren.
    »Das ist aber eine harte Anschuldigung.«
    »Ich weiß«, antwortete Pater Franz.
    *
    August Stanzinger saß in seinem Büro und unterzeichnete die letzten Schriftstücke des Tages. Heute war

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