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Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
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sich kam, dröhnte ihr Kopf, und Blitze zuckten vor ihren Augen. Soweit sie erkennen konnte, schien über ihr eine Felswand zu sein, außerdem roch es nach Holzrauch und getrockneten Kräutern.
    »Bist aufgewacht.« Eine Stimme drang an ihr Ohr. Ein verhutzeltes Gesicht kam in ihr Blickfeld, aus dem winzige blaue Augen sie ansahen.
    »Hast mir einen gehörigen Schrecken eingejagt, Kindchen.«
    Marianne versuchte, ihren Blick zu schärfen, was ihr nicht gelingen wollte. Immer wieder verschwamm das wenig vertrauenerweckende Gesicht vor ihren Augen. Sie schüttelte den Kopf und wollte sich aufsetzen. Doch die Alte drückte sie zurück auf das Lager, das aus Stroh und trockenem Laub bestand, über dem einige Tierfelle ausgebreitet waren.
    »Das würde ich an deiner Stelle lieber nicht tun, bist viel zu schwach zum Aufstehen. Das Fieber hat dich geholt, kein Wunder, so wie du rumgelaufen bist.«
    Marianne sah die Alte überrascht an. Ein sanftes Lächeln umspielte die Lippen der Frau. Marianne musterte die Alte jetzt genauer. Sie trug ein buntes Flickenkleid, das wie ein Sack an ihrem Körper hing, darüber einen weiten Umhang, der aus Tierfellen zu bestehen schien, und ihr weißes Haar hatte sie mit einem weinroten Tuch gebändigt.
    Die Alte bemerkte Mariannes prüfenden Blick.
    »So jemandem wie mir bist du noch nie begegnet, oder?«
    Marianne schüttelte den Kopf.
    »Wie heißt du?«
    Die Alte grinste und setzte sich auf einen winzigen Schemel neben Mariannes Lager.
    »Gute Güte, wie lange hat mich das schon keiner mehr gefragt. Ich heiße Petronella.«
    Marianne ließ ihren Blick durch die kleine Höhle schweifen. In einer Ecke standen einige Fässer, daneben Körbe mit Äpfeln. Eine Feuerstelle, über der ein Kupferkessel hing, erwärmte die Behausung. Überall an der Decke baumelten Bündel mit getrockneten Kräutern, und kleine Fläschchen, gefüllt mit verschiedenfarbigen Flüssigkeiten, standen in Felsnischen und auf einem großen Tisch. Jetzt wurde sie doch misstrauisch.
    Petronella deutete ihren Blick richtig.
    »Ich bin dir unheimlich, nicht wahr?«
    Marianne sah sie erstaunt an.
    »Allen Leuten bin ich unheimlich«, erwiderte die Alte. »Du bist nicht die Erste, Kindchen.«
    Marianne wollte nach dem Grund dafür fragen, doch sie kam nicht dazu, denn ein kräftiger Hustenanfall schüttelte sie durch. Fürsorglich richtete die Alte sie auf und stützte sie, bis es vorüber war.
    Als Marianne sich wieder beruhigt hatte, erhob sich Petronella, fischte einen Tonbecher aus einer der Felsnischen, füllte diesen mit einer dampfenden Flüssigkeit aus dem Topf und reichte ihn Marianne.
    »Trink, das wird dir wieder auf die Beine helfen.«
    Marianne roch vorsichtig an dem seltsamen Gebräu und verzog das Gesicht.
    Petronella lachte auf.
    »Bös muss Bös vertreiben. Wirst schon sehen, danach geht es dir besser.«
    Marianne nippte vorsichtig an dem Getränk. Die bittere Flüssigkeit rann ihren schmerzenden Hals hinunter und trieb ihr die Tränen in die Augen, doch der quälende Hustenreiz ließ sofort nach. Erstaunt blickte sie in den Becher.
    »Siehst du, es wirkt schon.«
    Marianne nahm noch einen kräftigen Schluck von dem Gebräu, stellte den Becher neben sich auf den Boden, drehte sich auf die Seite und kuschelte sich in die warme Decke.
    »Also«, fragte sie, »warum bist du den Leuten unheimlich?«
    Petronella holte zwei Äpfel aus einem der Körbe, zauberte ein Messer aus ihrer Rocktasche und begann, sie aufzuschneiden.
    »Eigentlich bin ich hier diejenige, die Fragen stellen sollte. Immerhin läufst du allein durch den Wald und bist einfach hier eingedrungen.«
    Marianne schämte sich.
    »Ich wollte nicht …«
    Petronella fiel ihr ins Wort.
    »Dass du das nicht wolltest, ist mir klar, Kindchen. Ist dein Glück gewesen, dass du über mein Lager gestolpert bist. Hast schlimm ausgesehen.« Die Alte reichte Marianne ein Stück Apfel. »Drei Tage hast du geschlafen. Ich hatte schon Sorge, das Fieber würde nicht runtergehen.«
    »Drei Tage?« Marianne fuhr in die Höhe.
    »Aber, das geht nicht. Ich muss doch …«
    Die Alte hielt ihr das nächste Apfelstück hin.
    »Gesund werden musst du.«
    Vor Mariannes Augen drehte sich die Höhle. Sie sank zurück aufs Kissen.
    »Ich muss zu meinem Bruder. Er braucht mich.«
    Die Alte legte den Kopf schräg.
    »Warum?«
    Marianne stiegen Tränen in die Augen.
    »Ich habe ihm versprochen zurückzukommen.«
    Ihr Kopf begann erneut zu pochen, und sie griff sich stöhnend an die

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