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Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
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wurde ihre Miene ernst.
    »Vielleicht solltest du wirklich darüber nachdenken, hier fortzugehen. Gewiss findest du in der Umgebung eine Anstellung als Magd.«
    Petronella schüttelte den Kopf. »Und das alles hier verlassen? Auf keinen Fall. Vickerl und ich kommen schon zurecht.«
    Sie breitete die Arme aus, trat auf Marianne zu und drückte sie fest an sich.
    »Pass auf dich auf, mein Kind. Ich wünsche dir, dass all deine Träume in Erfüllung gehen und du deinem Bruder helfen kannst.« Sie schob Marianne wieder von sich und sah ihr in die Augen.
    »Und rede dir nie wieder ein, Unglück zu bringen. Du bist von Gott geküsst und wirst von den Engeln des Himmels behütet. Denke immer an meine Worte.«
    Marianne nickte gerührt und wandte sich zum Gehen.
    »Ich werde daran denken. Gott sei mit dir, Petronella.«
    Winkend lief Marianne den schmalen Pfad entlang, bis sie die alte Frau nicht mehr sehen konnte.
     
    Sie genoss es, durch den Wald zu laufen, der dadurch, dass die Sonne durch die unbelaubten Bäume schien, hell und freundlich wirkte. Sie folgte dem kleinen Pfad bis zu seinem Ende und erreichte, wie es Petronella beschrieben hatte, eine breitere Straße. Bereits nach wenigen Metern vernahm sie laute Stimmen. Schnell duckte sie sich hinter eine Ansammlung halbhoher Fichten.
    Eine ganze Gruppe grölender Menschen ging an ihr vorbei. Sie trugen Stöcke und Mistgabeln und brüllten laut. Vorneweg lief ein in Schwarz gekleideter Mann mit grimmiger Miene.
    »Jetzt holen wir die Hexe. Ich weiß, wo sie sich verkrochen hat«, rief er. »Das Teufelsweib muss endlich brennen.«
    »Ja, brennen soll sie«, riefen die anderen. »Endlich haben wir die Hexe.«
    Marianne wurde es eiskalt. Die Gruppe schlug den Weg zu Petronellas Lager ein. Sie musste sofort zurück. Wenn sie hintenherum lief, dann könnte sie vielleicht vor den Leuten da sein und Petronella warnen. Hastig verließ Marianne ihr Versteck und rannte durchs Unterholz. Sie sprang über kleine Gräben und stolperte über Wurzeln. Irgendwann blieb sie völlig verzweifelt stehen und blickte sich um. Wo war der richtige Weg? Wieder einmal hatte sie sich in diesem verfluchten Wald verlaufen. Erneut drangen laute Rufe an ihr Ohr, die nichts Gutes verhießen.
    Sie folgte den Stimmen und erreichte Petronellas Lichtung, doch sie kam zu spät. Das Feuer war ausgetreten, Petronellas Sachen lagen überall auf dem Waldboden verstreut, und Vickerl lag, die Kehle durchgeschnitten, in der Tür zu seinem Verschlag. Traurig trat Marianne neben das Tier.
    Das konnte nicht sein. Sie durften Petronella nicht hinrichten. Sie war keine Hexe, sie hatte ihr das Leben gerettet. Entschlossen ballte sie die Fäuste.
    Sie musste der alten Frau helfen. Petronella brauchte eine Freundin, und die würde sie jetzt sein. Eilig verließ sie die Lichtung und rannte den Trampelpfad entlang.
     
    Sie holte die Gruppe sehr schnell ein und folgte ihr in einigem Abstand. Nach einer Weile erreichten sie ein Dorf, das anscheinend von größeren Plünderungen verschont geblieben war. Die Ansiedlung war nicht klein, ein Kirchturm mit einem mächtigen Zwiebeldach ragte zwischen Wohn- und Bauernhäusern in die Höhe. Das Wetter war inzwischen umgeschlagen, und graue Wolken und ein unangenehmer Wind kündigten Regen an. Marianne schlich an den Hauswänden entlang. Sie wollte kein Aufsehen erregen und zog ihre Kapuze über den Kopf. Die ersten Regentropfen fielen vom Himmel und verwandelten die nicht gepflasterten Straßen in lehmige Rutschbahnen.
    Es war nicht schwierig, Petronellas Aufenthaltsort zu finden, denn sie musste nur dem lauten Gegröle der Leute folgen.
    Die Menschen hatten sich vor der Kirche des Dorfes versammelt, neben der ein prachtvoll herausgeputztes Gebäude mit Türmchen und kleinen Erkern stand, in das Petronella hineingeführt wurde.
    Inzwischen regnete es stärker. Marianne suchte unter einem vorstehenden Dachfirst Schutz, sah den Menschen dabei zu, wie sie nach Hause gingen und wie bald auch der letzte Neugierige vor dem herbstlichen Unwetter floh.
    Nach einer Weile hatte sich der Vorplatz der Kirche in eine matschige Landschaft verwandelt. Marianne trotzte geduldig Sturm und Regen und wandte den Blick nicht von dem Haus ab, in das Petronella gebracht worden war. Ihre Füße begannen zu schmerzen, sie fror, und ihr Magen knurrte, doch sie rührte sich nicht. Nur kein Aufsehen erregen, nicht entdeckt werden. Fremden gegenüber waren die Leute immer misstrauisch. Vorsichtig band Marianne

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