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Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
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gerührt an.
    »So etwas hat noch nie jemand für mich getan.« Doch Marianne legte den Finger auf den Mund und deutete auf den nahen Wald. Erst dort waren sie in Sicherheit. Eilig liefen sie über die Wiese.
    Im Schutz der Bäume blieb Marianne stehen. Jetzt fiel die Anspannung von ihr ab, und sie begann zu lachen.
    Petronella sah sie verwundert an.
    Marianne lachte so sehr, dass ihre Lungen schmerzten und sie husten musste. Völlig überwältigt von ihren Gefühlen, wischte sie sich die Tränen aus den Augen und setzte sich auf einen umgefallenen Baumstamm.
    »Die Gesichter würde ich gern sehen, wenn sie morgen in den Schuppen kommen und du bist fort.«
    Auch von Petronella fielen jetzt Anspannung und Angst ab, und sie lächelte, doch ihre gefesselten Hände zitterten. »Ja, besonders das Gesicht des Pfarrers würde ich gern sehen.« Doch dann wurde ihre Stimme ernst.
    »Vielen Dank, Marianne.«
    Marianne beruhigte sich wieder.
    »Du hast mir das Leben gerettet. Ohne deine Hilfe wäre ich im Wald erfroren, das war ich dir schuldig.«
    In Petronellas Augen traten Tränen der Rührung.
    Marianne deutete auf Petronellas Hände.
    »Jetzt sollten wir zusehen, dass du die Fesseln loswirst und wir von hier fortkommen.«
    Petronella nickte, doch dann blickte sie plötzlich wehmütig zurück. »Jetzt kann ich mich nicht einmal mehr von meinen Kindern verabschieden.«
    »Sie werden es verstehen«, tröstete Marianne sie. »Was, denkst du, ist ihnen lieber? Eine Mutter auf dem Scheiterhaufen oder eine, die irgendwo in Frieden lebt und glücklich ist?«
    Petronella nickte wehmütig.
    »Du bist eine weise Frau.«
    Marianne begann, an Petronellas Fesseln zu zerren. »Für so eine Feststellung muss man nicht sonderlich weise sein.«
    Der Knoten löste sich, und die Stricke fielen auf die Erde. Sie versteckten sie, um ihre Spuren zu verwischen, und machten sich auf den Weg in die Dunkelheit.
     
    Am nächsten Morgen erreichten sie den Inn. Glücklich atmete Marianne den Geruch des grünen Wassers ein und ging ans Ufer, um ihre Hände in das kühle Nass zu tauchen. Sie war so überwältigt, dass ihr Tränen in die Augen traten. Petronella beobachtete Marianne nachdenklich. Sie wusste, dass sich hier ihre Wege trennen würden, denn sie wollte nicht in den Süden, sondern nach Passau, was nur etwa zwei Tagesmärsche von hier entfernt lag. Die Stadt war groß genug, um einer Frau wie ihr einen Neubeginn zu ermöglichen. Nur wie sie Marianne ihren Entschluss beibringen sollte, wusste sie noch nicht.
    Marianne sah sie mit leuchtenden Augen an.
    »Ist er nicht wunderschön? Ich habe nicht mehr daran geglaubt, den Inn jemals im Leben wiederzusehen, und jetzt stehen wir hier.«
    Petronella konnte Mariannes Freude nicht ganz verstehen. Flüsse gab es viele auf der Welt, und sie hatte das grüne Wasser des Inns stets skeptisch beäugt. Wer wusste schon genau, welches Getier in der trüben Brühe hauste. Doch sie hielt sich zurück, sie wollte die Freude des Mädchens nicht schmälern.
    »Jetzt sind wir bestimmt bald in Rosenheim.« Marianne deutete flussaufwärts. »Die Stadt wird dir gefallen.«
    Petronella atmete tief durch.
    »Das wollte ich dir vorhin schon sagen«, schnitt sie das leidige Thema an. »Ich werde nicht nach Rosenheim mitkommen können.«
    Marianne sah die alte Frau überrascht an.
    »Aber warum denn nicht?«
    »Nicht weit von hier mündet der Inn in die Donau. Dort liegt Passau, eine große Stadt, genau der richtige Ort für eine wie mich.« Petronella schaute betreten zu Boden.
    Marianne blickte flussabwärts. Sie war fest davon ausgegangen, dass Petronella sie begleiten würde. Sogar gefreut hatte sie sich darauf, von nun an nicht mehr allein laufen zu müssen. Doch wie es jetzt aussah, würden sich ihre Wege hier trennen.
    »Aber …«
    Petronella griff nach Mariannes Händen.
    »Ich weiß, du hast gedacht, ich würde mit nach Rosenheim kommen. Aber so weit im Süden, das ist nichts für mich. Ich gehöre hierher an die Mündung des Flusses, das ist meine Heimat. Du wirst in Rosenheim gewiss deinen Bruder wohlbehalten vorfinden und all deine Freunde. Ich gehöre nicht dazu.«
    Marianne schüttelte den Kopf.
    »Du wirst immer dazugehören. Was willst du denn allein in Passau? Niemand kennt dich dort, und am Ende wirst du auf der Straße betteln müssen.«
    Ihre Stimme klang trotzig, denn sie konnte Petronellas Entscheidung nicht verstehen.
    Die alte Frau grinste verschmitzt.
    »Ganz so ist es auch nicht. Ein alter

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