Das Pestkind: Roman (German Edition)
ihr beruhigend die Hand auf den Arm.
»Wir werden alles, was in unserer Macht steht, tun, damit Anderl freikommt, das verspreche ich dir.«
Pater Johannes trat in den Garten und unterbrach die beiden.
»Franz, kommst du? Der Bürgermeister, die Amtsräte und der Büttel sind eingetroffen.«
Der Abt erhob sich seufzend, doch Marianne hielt ihn zurück.
»Ich werde die ganze Zeit hierbleiben und für einen guten Ausgang beten.«
»Tu das, mein Kind. Gottes Kraft und Beistand haben wir heute nötiger als jemals zuvor.«
*
Das Refektorium des Klosters war der geeignete Raum für die Verhandlungen mit dem Schwedengeneral. Die Mönche waren dort bereits versammelt und die Wertgegenstände und die Truhe mit den Münzen in der Mitte des Raumes aufgebaut. Es war ein seltsames Bild, das Pater Franz erwartete. Die obersten Würdenträger der Stadt standen in der einen Ecke und unterhielten sich sichtlich nervös, und in der Nähe der Tür waren die Mönche versammelt und schwiegen, während die Hühner, Gänse und Enten in ihren Käfigen nervös schnatterten und gackerten. Federn und Flaum flogen durch den Raum, in dem die Gerüche der Tiere, Schweiß und Blumenduft gleichermaßen hingen. Auf einem Tisch vor einem geöffneten Fenster standen mit Bier gefüllte Krüge neben feuchten Tüchern und Schmalzbroten zur Erfrischung der Gäste bereit.
Es machte ein wenig den Eindruck, als würden sie auf einen Freund warten und nicht auf ihren größten Feind.
Pater Franz atmete tief durch und ging auf den Büttel zu, der sich dem Anlass entsprechend herausgeputzt hatte. Er trug ein weißes Hemd mit einer samtenen, schwarzen Weste darüber. Goldene Knöpfe schimmerten frisch poliert an beiden Kleidungsstücken, und seine lederne, ebenfalls schwarze Kniehose war sauber und frisch gebürstet. Besonders beeindruckend waren allerdings die schwarzen Absatzschuhe mit silbernen Schnallen, die August Stanzinger sofort um einige Zentimeter größer und erhabener erscheinen ließen. Pater Franz begann sich in seiner Gegenwart fast ein wenig für seine braune Kutte zu schämen, die am Saum einige Flecken aufwies.
»Grüß Gott, Büttel.« Er reichte die Hand dem Mann, den er bald als Mörder überführen wollte. Der Reihe nach begrüßte er auch die anderen Würdenträger und begutachtete noch einmal die aufgebauten Wertgegenstände.
»Ich hoffe, es wird ausreichen«, sagte August Stanzinger, nahm eine wertvolle, mit Initialen geprägte goldene Uhr in die Hand und klappte sie auf.
»Nicht, dass es zu wenig ist. Dann machen sie uns alle gleich hier einen Kopf kürzer. Es gab da einen Vorfall irgendwo im Allgäu. Dort war es Wrangel nicht genug gewesen. Daraufhin hat er alle Anwesenden sofort erschlagen und köpfen lassen, und danach war die ganze Stadt niedergebrannt worden.«
Pater Franz schluckte.
»Dann wollen wir hoffen, unsere Gaben stimmen ihn heute milde. Die Schweden mögen grausam sein, aber sie sind auch nur Menschen. In fast allen Städten, die Wrangel in der letzten Zeit einen Handel vorgeschlagen haben, hat es funktioniert. Seine Soldaten sind müde, rauben und plündern nur noch. Es geht ihm zurzeit nicht darum, eine Schlacht zu gewinnen. Mit Gottes Beistand wird gewiss alles gutgehen.«
Ein unscheinbarer, kleiner Mönch betrat abgehetzt den Raum und unterbrach das Gespräch der beiden.
»General Wrangel und sein Gefolge sind soeben eingetroffen, Herr.« Alle Anwesenden traten neugierig an die Fenster.
Pater Franz atmete tief durch und folgte seinem Glaubensbruder in den Innenhof.
Es war eine Abordnung von etwa fünfzehn Männern, die mit einigen Karren, vor die Pferde gespannt waren, im Hof stand. Der Abt war erstaunt darüber, wie wenige gekommen waren. Der General selbst war unschwer zu erkennen. Er stieg als Erster elegant von seinem Pferd, klopfte sich den Staub der Straße von seinem Wams und blickte sich mit ernster, leicht arrogant wirkender Miene um.
Pater Franz hatte keine Vorstellung davon gehabt, wie Wrangel aussah. Soldaten hatte er in seinem Leben schon viele gesehen, in welchen Uniformen auch immer. Aber einen so feinen Herrn, der edelste, samtene Hosen, einen eleganten Federhut und glänzende Lederstiefel trug, hatte er nicht erwartet.
Drei andere Männer stellten sich hinter den General. Sie schienen um einiges jünger zu sein. Ihre Kleidung war nicht so prunkvoll. Einfachere Hemden, weniger üppig bestickte Westen und nicht ganz so prachtvolle Stulpenstiefel zeugten von ihrem niederen
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