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Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
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Doch sein Bruder fuhr ihm über den Mund.
    »Das ist mein letztes Wort, und das gilt auch für dich, Albert.«
    Pater Franz sank in sich zusammen und nickte. Pater Johannes und die anderen Mönche sahen ihn ungläubig an, und auch die Amtsräte waren über so viel Willkür entsetzt, obwohl sie Marianne keine Träne nachweinten, denn die Sache mit dem Pestkind hatte sich damit ein für alle Mal erledigt.
    August Stanzinger atmete erleichtert auf. Was für wunderbare Überraschungen das Leben immer wieder mit sich brachte. Marianne, die zu viel wusste, war ihm bereits seit langem ein Dorn im Auge. Jetzt würde sich das Problem von ganz allein lösen.
    »Packt dann alles ein und lasst uns von hier verschwinden«, ordnete der General an, schenkte sich einen Becher Bier ein und würdigte seine Umgebung keines Blickes mehr.
     
    Pater Franz stand kurze Zeit später am Eingang zum Rosengarten und beobachtete, wie Marianne mit Kater Paul spielte. Ihm wurde bewusst, wie sehr er sie liebte. Er wusste nicht, was Vaterliebe war. Aber so ähnlich musste es sich anfühlen. Er hätte sie so gern vor der Welt und vor allem, was böse war, bewahrt. Die Zisterzienserinnen hätten ihr gewiss ein gutes Zuhause geboten, und er hätte sie dort auch besuchen können. Doch nun hatte er sie verloren, würde sie weggeben und wie eine Ware eintauschen müssen gegen den Frieden der Stadt. Aber welche Wahl hatte er? Ihr Schicksal stand gegen das Leben von Tausenden.
    Was da genau im Refektorium vorgefallen war, hatte er noch immer nicht verstanden. Warum war Marianne derart in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt? Sie hatte doch nur im Rosengarten gesessen und gelesen. Der junge blonde Mann hatte sie anscheinend gekannt. Nur woher?
    Mit einem Räuspern machte er auf sich aufmerksam.
    Marianne schaute hoch und lief ihm entgegen.
    »Und, wie ist es ausgegangen?«
    Pater Franz straffte die Schultern.
    »Gut. Sie werden Rosenheim in Frieden lassen.«
    Marianne sah ihren Mentor, der einen eher traurigen Eindruck machte, verwundert an.
    »Aber, das sind doch gute Neuigkeiten. Warum freut Ihr Euch denn nicht?«
    Pater Franz legte den Arm um Marianne und deutete auf die Bank.
    »Ich muss etwas mit dir besprechen, Kind. Setzen wir uns doch.«
    Marianne wurde unruhig, denn so kannte sie ihn nicht. Ihr Mentor wirkte zittrig und nervös und blickte zu Boden, als er zu sprechen begann.
    »Du wirst mit ihnen gehen müssen«, sagte er leise und biss sich auf die Lippen.
    »Mit wem gehen müssen?«
    »Mit den Schweden. Ich weiß nicht genau, warum, aber sie machen es zur Bedingung. Wenn du sie nicht begleitest, dann brennen sie die Stadt nieder.«
    Verwirrt sah sie den Mönch an.
    »Aber warum? Sie kennen mich doch gar nicht.«
    Pater Franz sah in ihre großen blauen Augen, in die Tränen traten.
    »Das ist es ja, was ich nicht begreife. Sie glauben, dich zu kennen. Jedenfalls einer von ihnen. Ein junger blonder Mann, der Bruder des Generals, scheint dich gernzuhaben.«
    Marianne atmete tief durch.
    »In der Kirche hat mir ein blonder junger Mann geholfen, denn Anderl wollte nicht vom Altar weggehen.«
    Pater Franz nickte.
    »Dort hat er dich also gesehen.«
    »Aber ich kann nicht mit ihnen gehen.« Marianne schüttelte den Kopf. »Sie sind böse und grausam. Was werden sie mit mir tun? Das könnt Ihr nicht zulassen. Und ich muss für Anderl da sein. Wir wollten ihm doch helfen. Ich habe versprochen, ihn zu beschützen, wiederzukommen und ihn dort herauszuholen.«
    Marianne sprang von der Bank auf und verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Ich gehe nicht mit. Niemals!«
    Pater Franz trat hinter sie.
    »Du wirst keine Wahl haben. Der Handel ist bereits beschlossene Sache.«
    Marianne drehte sich um. Ihre Augen funkelten wütend.
    »Ihr habt mich verkauft wie eine Ware. Das bin ich Euch also wert.«
    Pater Franz packte Marianne an den Schultern und schüttelte sie.
    »Niemals hätte ich das getan. Aber mir sind die Hände gebunden, versteh das doch. Ich bin machtlos.«
    In seinen Augen schimmerten Tränen. Marianne hielt verwundert inne. Ihre Wut verrauchte, und die Verzweiflung gewann die Oberhand. Noch nie hatte sie ihren Mentor weinen sehen.
    Schluchzend schloss er sie in die Arme und drückte sie ganz fest an sich.
    »Du musst mir glauben, ich liebe dich wie eine Tochter und will dich nicht verlieren, aber jetzt kann selbst ich dir nicht mehr helfen.«
    Pater Johannes, der seinem alten Freund gefolgt war, erschien am Eingang des Gartens. Er musste

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