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Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
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gehörten, waren aber schutzlos auf den Flößen dem Feind ausgeliefert. Sie duckten sich, legten sich auf den Bauch oder versuchten, im Kugelhagel zu fliehen, was die meisten von ihnen mit dem Leben bezahlten. Reihenweise stürzten sie in den Fluss. Erneut ertönten laute Donnerschläge. Ein Floß zerbarst. Ein Tier war direkt getroffen worden, und seine Körperteile flogen durch die Luft. Marianne und Helene starrten fassungslos auf das Chaos. Wieder und wieder hallten laute Donnerschläge wider, und die Schüsse der Musketen knallten bis zu ihnen nach oben. Sämtliche Brücken waren inzwischen zerstört. Teile von Wagen, Menschen und Tiere trieben im Wasser und wurden von der Strömung mitgerissen.
    Marianne fiel das von ihr belauschte Gespräch wieder ein. Sie hätten es niemals wagen sollen, den Fluss hier zu überqueren. Die Salzburgischen kannten den Inn besser und hatten gewiss seit Tagen ausgeharrt, um im richtigen Augenblick zuzuschlagen. Einige Pferde hatten es wie durch ein Wunder ans Ufer geschafft. Noch immer ertönten vereinzelt Schüsse, aber das Schlimmste schien vorbei zu sein. Die provisorischen Brücken waren zerstört, und Wrangel war aufgehalten worden, mehr schienen die Truppen auf der anderen Seite nicht erreichen zu wollen. Der Angriff war kurz, aber heftig gewesen.
    Helene starrte fassungslos auf die davontreibenden Holzreste und zerstörten Flöße. »Es waren so viele, bestimmt Hunderte. So ein Ende haben sie nicht verdient.«
    Mariannes Blick wanderte zum Ufer der Schweden, an das bereits die ersten Leichen gespült wurden.
    Mitleidig beobachtete sie die Männer dabei, wie sie ihre Kameraden aus dem Wasser zogen und nebeneinanderlegten. Sie wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Der Schock über das eben Gesehene saß tief.
    Am anderen Ufer war es wieder still geworden, die uniformierten Männer waren verschwunden, als hätte es sie nie gegeben.
    Eine ganze Weile blieben die zwei Frauen schweigend nebeneinanderstehen und hingen ihren Gedanken nach, dann deutete Helene plötzlich aufgeregt nach unten.
    »Sieh nur, da sind Wrangel und Turenne, Albert ist auch dabei.«
    Marianne folgte ihrem Blick, und erst jetzt wurde sie sich der Tatsache bewusst, dass auch Albert hätte sterben können. Helene erriet ihre Gedanken und strich ihr beruhigend über den Arm.
    »Das hätte ich dir gleich sagen können. Die Offiziere und wichtigen Männer kommen erst am Schluss, denn die Drecksarbeit erledigt auch hier immer der kleine Mann.«
    *
    Marianne und Helene hatten sich aus dem Feldherrenhof fortgestohlen und saßen bei Milli am Lagerfeuer. Nur wenige Männer hatten sich an diesem Abend zum Kartenspielen bei Milli eingefunden, denn viele waren noch in irgendwelchen Dörfern unterwegs oder kamen erst nach und nach zurück. Nach Fröhlichkeit war den wenigsten zumute, nachdem so viele von ihnen den Tod in den Fluten des Inns gefunden hatten. Selbst Milli war ruhiger als sonst. Der alte Otto saß den Mädchen gegenüber und erzählte wie immer eine Geschichte, obwohl ihm niemand zuhörte. Nicht einmal Marianne folgte seinem Bericht. Der Tross war nach dem schrecklichen Unglück am Fluss weitergezogen und bewegte sich jetzt Richtung Landshut. Helene saß stumm neben Marianne und starrte ins Feuer. Sie trug ihr Haar mit vielen kleinen Spangen hochgesteckt, und sanfte Locken umrahmten ihr Gesicht, doch ihr eher schlichtes braunes Kleid ließ sie blass erscheinen, und ihre Wangen wirkten im Schein der Flammen eingefallen. Seitdem sie wusste, was für eine Krankheit Friedrich in sich trug, war sie stiller geworden, in sich gekehrt, fast wie ein anderer Mensch. Marianne hatte immer wieder versucht, ihr klarzumachen, dass sie sich nicht angesteckt haben musste, aber sie schien nicht zu Helene durchzudringen.
    Auch heute verunsicherte das Schweigen der Freundin sie, doch irgendwann hielt sie es nicht mehr aus und begann ein Gespräch.
    »Weißt du, wohin Albert und die anderen heute Morgen geritten sind?«
    »Zu irgendeinem Dorf hier in der Nähe. Von dort aus wollten sie mit einigen Leuten das Hinterland erkunden«, antwortete Helene.
    Marianne wollte es sich nicht eingestehen, aber sie vermisste Albert. Seit dem Unfall am Fluss war sie ihm nur noch ein Mal kurz begegnet, und es war keine Zeit geblieben, vertrauliche Worte zu wechseln.
    Helene deutete Mariannes sehnsuchtsvollen Blick richtig.
    »Du vermisst Albert sehr, nicht wahr?«
    Marianne zuckte zusammen.
    »Ist es so offensichtlich?«
    »Mehr als das«,

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