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Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
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mischte sich jetzt auch Milli in das Gespräch ein und trat hinter die beiden.
    »Uns kannst du nichts vormachen, Mädchen. Du hast ihn gern, das sieht man dir an der Nasenspitze an.«
    Marianne wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Immer noch war sie hin- und hergerissen. Sie mochte das kribbelnde Gefühl im Bauch, wenn sie an ihn dachte, und wenn er sie in den Arm nahm, schienen über ihre Haut tausend Ameisen zu laufen. Langsam musste sie sich eingestehen, dass Milli und auch Helene recht hatten. Sie hatte ihn tatsächlich gern und genoss es, wenn er in ihrer Nähe war.
    Marianne errötete.
    Helene legte den Arm um ihre Freundin.
    »Genieße es. Wer weiß, wie lange das Glück anhält, man muss die guten Zeiten festhalten.« Ihre Miene wurde wieder ernst. »Das Leben kann oft grausamer sein, als man denkt.«
    Milli warf Helene einen strafenden Blick zu.
    »Es ist noch gar nicht erwiesen, dass du dich bei Friedrich angesteckt hast. Ich kann ja nicht einmal sagen, ob er es hat. Josefine hat die ersten Anzeichen zwar gesehen, aber womöglich hat sie sich geirrt. Also, male es nicht schwärzer, als es ist. Wir warten erst einmal ab.«
    »Milli, wo steckst du denn?«, rief jemand über die Wiese. Alle drei Frauen blickten auf.
    Der alte Peter kam angelaufen und fuchtelte mit den Armen.
    Keuchend blieb der Marketender, dem nur noch wenige graue Haare auf dem Kopf geblieben waren, vor Milli stehen und wackelte aufgeregt mit seinen buschigen Augenbrauen, die irgendwie nicht zu seinem schmalen Gesicht und dem spitzen Kinn passen wollten.
    »Guten Abend, Peter.« Milli warf ihrem Freund und Konkurrenten einen abschätzenden Blick zu. Sie wusste genau, was er wollte.
    »Ja, ich habe noch genügend Bier, aber wir verrechnen das gegen eines der Fässer Wein von neulich.«
    Der alte Mann seufzte erleichtert.
    »Abgemacht.«
    Milli ging zu ihrem Wagen, und Peter folgte ihr. Amüsiert blickten Marianne und Helene den beiden hinterher.
    »Sie sind wie ein altes Ehepaar«, sagte Marianne lachend.
    »Ja«, erwiderte Helene, »nur heiraten werden sie nie.«
    Plötzlich schoss Marianne wieder die Frage durch den Kopf, die ihr schon lange auf der Zunge lag.
    »Warum willst du eigentlich nicht heiraten?«, fragte sie Helene.
    Die Freundin zuckte zurück. Sofort schämte sich Marianne für ihre Frage.
    »Entschuldige, ich wollte dich nicht …«
    »Ist schon gut«, unterbrach Helene sie. »Es ist sowieso schon lange überfällig, dass ich dir erzähle, wie es mich hierher verschlagen hat.«
    Marianne spitzte die Ohren. Sie saßen inzwischen allein am Feuer, wenn man von dem alten Otto absah, der im Sitzen schlief und laut schnarchte.
    »Wie du ja weißt, bin ich auf einem großen Landgut etwas außerhalb von Offenburg aufgewachsen«, begann Helene zu berichen.
    »Meine Kindheit dort war wundervoll. Meine Eltern gehörten zwar nur dem einfachen Landadel an, doch wir besaßen ein großes Stück Land mit vielen Pferdeweiden, und ich hatte fünf jüngere Geschwister.« Plötzlich klang Helenes Stimme wehmütig.
    »Du musst nicht weitersprechen, wenn du nicht möchtest«, unterbrach Marianne sie.
    Doch Helene schüttelte den Kopf.
    »Es geht schon.« Helene atmete tief durch.
    »Irgendwann fielen die Schweden über unser Gut her und zerstörten alles. Ich war mit unserer Magd auf einer Pferdeweide, die etwas abseits der anderen Weiden lag, das hat uns wahrscheinlich das Leben gerettet. Tagelang haben wir uns in den umliegenden Wäldern versteckt, bis es wieder ruhiger wurde. Als wir auf den Hof zurückkamen, war nicht mehr viel übrig. Alberta, unsere Magd, hatte sich danach von mir verabschiedet. Sie hatte Verwandte in Basel und wollte dorthin. Ich war plötzlich ganz allein.«
    Marianne nickte. Solche Geschichten gab es viele. Menschen, die gestrandet waren und nicht wussten, wie es weitergehen sollte, waren auch in Rosenheim und im Kloster immer wieder aufgetaucht.
    »Irgendwann bin ich dann durch Zufall im Wald auf einen jungen Soldaten gestoßen. Wir standen uns an einem Bachlauf gegenüber, und er musterte mich erstaunt. Erst wollte ich fortlaufen, doch er hielt mich zurück. Wir begannen zu reden, einfach so.« Sie zuckte mit den Schultern und sah Marianne kurz an.
    »Ich bin mit ihm gegangen. Erst später hat sich herausgestellt, dass er Leutnant unter Turenne war und bald zum Offizier befördert werden sollte.«
    »Und was passierte dann?« Marianne hing gebannt an Helenes Lippen. Diese Geschichte hörte sich so ähnlich an

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