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Das Pesttuch

Das Pesttuch

Titel: Das Pesttuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: brooks
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so derb zur Schau gestellte tierische Natur ersparen wollen.
    Schweigend ritten wir weiter. Als wir zum Hof der Gordons kamen, weigerte sich Urith anfänglich, uns die Türe zu öffnen. »Mein Mann duldet es nicht, wenn ich in seiner Abwesenheit Männerbesuche empfange«, sagte sie mit bebender Stimme.
    »Sorge dich nicht, Anna Frith ist hier bei mir. Es kann doch sicher nicht unschicklich sein, den Ort s geistlichen und seine Dienerin zu empfangen? Wir haben ein wenig Proviant mitgebracht. Möchtest du nicht das Brot mit uns brechen?«
    Daraufhin öffnete sich die Türe einen Spalt, und Urith lugte heraus. Bei meinem Anblick und dem meines Korbes leckte sie sich hungrig die Lippen. Ich trat vor und schlug das Tuch zurück, damit sie den Inhalt sehen konnte. Zitternd öffnete sie die Tür. Sie trug eine Art grobe Decke, die sie um die Taille mit einem Strick festgebunden hatte. »In Wahrheit«, sagte sie, »bin i ch am Verhungern. Mein Mann hat mich vierzehn Tage fasten lassen, mit nur einer Sch a le Brühe und einem Ranken Brot täglich.«
    Beim Betreten der Kate schnappte ich nach Luft. Sämtliche Möbel waren verschwunden. Stattdessen standen in jedem Winkel grob gezimmerte Holzkre u ze herum. Einige große lehnten an der Wand, klein e re Astkreuze hingen an Schnüren von den Decke n balken. Urith bemerkte meinen starren Blick. »Damit verbringt er mittlerweile seine Zeit. Nicht auf dem Feld, sondern mit Kreuzebauen, eines nach dem a n deren.« Drinnen in der Kate war es kälter als draußen im Freien. Offensichtlich hatte im Herd schon einige Zeit kein Feuer mehr gebrannt. Ich richtete Haferk u chen, Sülze und Pudding auf den Tüchern an, in die ich sie eingewickelt hatte. Urith kniete sich auf den Boden und verschlang alles gierig. Sogar den grünen Heiltrank leerte sie bis zum letzten Tropfen. Da es keinen Stuhl zum Hinsetzen gab, standen wir da und schauten ihr beim Essen zu. Ich schlug die Arme um mich und versuchte, mich durch Abklopfen mit den Händen aufzuwärmen.
    Als sie fertig war, setzte sie sich mit einem tiefen Seufzer in die Hocke. Zum ersten Mal seit vierzehn Tagen war sie satt. Dann rappelte sie sich hoch und sah uns ängstlich an. »Ich flehe euch an, sagt me i nem Mann nichts davon, er ist bereits schwer g e kränkt, weil ich nicht so halb nackt herumlaufen will wie er. In dieser Sache habe ich mich ihm widersetzt und musste dafür bitter büßen. Wenn er weiß, dass ich ihm auch beim Fasten den Gehorsam verweigert habe …« Hier brach sie ab. Was sie meinte, war o f fensichtlich. Ich sammelte die Tücher ein und suchte den Boden nach Krümeln ab, um ihr Geheimnis nicht zu verraten. Unterdessen erkundigte sich Mister Mompellion vorsichtig danach, wie ihr Mann ihrer Meinung nach zu den Lehren der Flagellanten g e kommen war.
    »Wie, weiß ich nicht«, meinte sie. »Aber irgen d wann mitten im Winter bekam er ein Traktat aus London, das er eingehend las. Danach wurde er sehr merkwürdig. Bitte, nehmen Sie es nicht persönlich, Herr Pfarrer, aber er beurteilte ihre Predigten immer kritischer. Er sagte, es sei falsch von Ihnen, wenn Sie die Leute ermuntern, in der Pest etwas anderes als den leibhaftig gewordenen Zorn Gottes zu sehen. Er sagte, Sie sollten jeden von uns zu einer öffentlichen Beichte jeder einzelnen Sünde anregen. Dabei wü r den wir dann vielleicht auf jenen Verstoß kommen, der Gottes Zorn über uns gebracht hat, und ihn für immer ausmerzen können. Es genügt nicht, sagt er, unsere Seele zu erforschen, wir müssten auch unser Fleisch geißeln. Er begann zu fasten, wobei er immer strenger wurde. Dann verbrannte er alle unsere Strohsäcke und bestand darauf, dass wir auf dem nackten Stein schlafen.« Flüsternd fuhr sie fort: »U n ter keinen Umständen durften wir beieinander kö r perlichen Trost suchen, sondern immer nur ganz keusch daliegen.«
    Er ließ den Hof Hof sein und beschimpfte sie, wenn sie von ihrem Platz neben ihm auf den Knien aufstand und selbst Hand an den Pflug legte. »Schließlich zerrte er vor einer Woche Tisch und Bänke hinaus und verbrannte sie und warf auch noch seine beiden Anzüge ins Feuer.« Ihr hatte er dasselbe befohlen, aber sie hatte sich mit der Bemerkung, se i ne Art Kleidung sei unanständig, geweigert.
    »Daraufhin hat er mich verflucht und erklärt, ich solle ihm dankbar sein, weil er wüsste, wie man die Pfeile von Gottes Pest von uns abhält.« Ihr Flüstern wurde so leise, bis ich die Worte kaum mehr hören konnte. »Er zog mich nackt

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