Das Pesttuch
Hand, die noch immer um mein Handgelenk lag, an sich. Dann fielen wir übereinander her. Wah r schei n lich hätte uns nichts aufhalten können. Wir nahmen einander, wild und hart, gleich dort unten auf dem Kalksteinboden. Als mir die rauen Steinpla t ten die Haut aufschürften, schien der Schmerz jenem in meinem Herzen zu gleichen. Keine Ahnung, wie wir nach oben kamen, aber später lagen wir zusa m men auf dem nach Lavendel duftenden Bett. Jetzt waren wir zärtlich und langsam und widmeten uns einander wunderbar aufmerksam. Dort ruhten wir uns anschließend aus, während der Regen leicht g e gen die Fenster klopfte, und sprachen leise über all die Di n ge, die wir vor dem Wüten des vergangenen Jahres im Laufe unserer Leben geliebt hatten. Über das Pestjahr selbst fiel kein Wort.
Als er am späten Nachmittag in einen leichten Schlummer gefallen war, schlich ich aus dem Bett, zog mich an und ging meine Schafe füttern. Es hatte zu regnen aufgehört, ein leichter Wind flüsterte im nassen Gras. Eben beförderte ich mit der Gabel Heu vom Heuboden, da trat er näher.
»Lass mich das machen«, sagte er und nahm die Heugabel. Dann hielt er inne und zupfte mir mit zär t lichen Liebkosungen das Stroh vom Kleid. Mit geü b ten Handbewegungen schaufelte er das Heu hinunter und schleppte die Ladung unter meiner Anleitung aufs Feld hinaus, wo die Herde im Schutz eines Ebereschenwäldchens graste. Gemeinsam waren wir mit dem Verteilen rasch fertig. Die Mutterschafe b e obachteten uns und widmeten sich dann wieder dem Fressen. Als er einen dichten Heuballen zerstieß, duftete es plötzlich intensiv nach weißem Klee. Er hob ein Büschel auf und atmete tief ein. Als er wi e der aufsah, war sein Gesicht von einem Lächeln e r hellt, wie ich es schon seit über einem Jahr nicht mehr bei ihm gesehen hatte. »Das duftet wie meine Kindheitssommer«, sagte er. »Weißt du, e i gentlich hätte ich Bauer werden sollen. Vielleicht werde ich’s ja jetzt noch.« Ein plötzlicher Windstoß ließ einen regennassen Ast erzittern, sodass wir beide nass wurden. Ein letzter Haufen glatter Blätter regn e te auf uns herab. Ich zitterte. Da hob er ein einzelnes Blatt aus meinem Haar und drückte es mit einem Kuss an seine Lippen. Im sinkenden Tageslicht sti e gen wir wieder den Hügel hinab. Als wir uns meiner Kate näherten, nahm er mich bei der Hand.
»Anna, darf ich heute Nacht in deinem Bett li e gen?«
Ich nickte. Wir gingen hinein. Unter dem niedr i gen Türstock musste er den Kopf einziehen. Ich b e gann, die Glut im Herd wieder anzufachen, aber er unterbrach mich. »Heute möchte ich dich bedienen«, sagte er, führte mich zum Stuhl und legte mir gena u so fürsorglich meinen Schal um die Schultern, wie ich ihn im letzten Monat unter eine wärmende Decke gesteckt hatte. Dann bückte er sich zum Herd. Als das Feuer knisterte, kniete er sich vor mich hin und zog mir erst die Stiefel und dann die Strümpfe aus. Zärtlich legte sich seine Hand auf das blasse Fleisch meiner Schenkel. »Du hast kalte Füße«, sagte er und umfing beide mit seinen breiten Händen. Anschli e ßend holte er den Kessel vom Haken, goss warmes Wasser in ein Waschbecken und wusch meine Füße, wobei er die Sohlen mit leichtem Daumendruck kn e tete. Zuerst fühlte ich mich bei dieser ungewohnten Zärtlichkeit ganz unwohl. Ich habe garstige Füße, die vom vielen Gehen in schlechten Stiefeln ganz hart und verhornt sind. Aber als er weiter meine schru n digen Fersen streichelte, löste sich die Anspannung in mir. Ich gab mich seiner Berührung hin, lehnte den Kopf gegen den Stuhl, schloss die Augen und ließ meine Hände durch s eine gelösten Haarsträhnen wandern. Nach langer Zeit standen seine Hände still. Ich schlug die Augen auf und begegnete seinem Blick, der unverwandt auf mich gerichtet war. Vo r sichtig hob er mich zu sich herunter, bis ich mit g e spreizten Beinen auf seinen Schenkeln saß. Da schob er meinen Rock samt Unterrock hoch und drang in mich ein, sachte und langsam. Ich umschlang ihn mit den Beinen und hielt sein Gesicht zwischen beiden Händen. Unsere Augen bohrten sich ineinander. Bis uns plötzlich die warme Welle unserer Lust durc h schoss, schienen wir nicht einmal zu blinzeln.
Danach hob er mich wieder auf den Stuhl und ließ mich nicht aufstehen, um Essen zu holen. Unbeho l fen durchsuchte er meine Töpfe und stellte aus Käse und Äpfeln, Haferkuchen und Bier ein einfaches Mahl zusammen, das wir mit den Händen aßen, vom selben
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