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Das Pesttuch

Das Pesttuch

Titel: Das Pesttuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: brooks
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ersten Mal sieht und erlebt, einen, mit dem wir noch immer sprechen können. Er staunt und ist von diesen Wundern überwältigt.«
    Es tat mir Leid, als er zu lesen aufhörte. Wenn nicht die Ehrfurcht vor ihm mich stumm gemacht hätte, hätte ich ihn gebeten weiterzulesen. Doch o b wohl ich tagtäglich in seinem Hause arbeitete, fiel mir nur mit seiner Frau das Reden leicht. Nicht, dass er in irgendeiner Weise barsch aufgetreten wäre, aber oft wirkte er so in wichtige Dingen versunken, dass er die Kleinigkeiten seines Haushalts nicht wah r nahm. Ich gab mir alle Mühe, ihn durch mein Ko m men und Gehen und meine Arbeit nicht zu stören und kann mit einigem Stolz behaupten, dass er nur höchst selten Anlass hatte, mich wahrzunehmen. Deshalb saß ich nun stumm da. Ihm musste mein abwesender Blick leer oder gelangweilt erschienen sein, denn plötzlich stand er auf und ergriff sein Buch mit den Worten, er habe mich nun lange genug belästigt und müsse sich wieder um seine Belange kümmern.
    Daraufhin fand ich tatsächlich zaghaft meine Stimme wieder und bedankte mich dafür, dass er di e se großen Gedanken mit mir geteilt hatte. »Denn für mich ist es wundervoll, wenn ein derart erhabener Denker eine so enge Beziehung zu den ganz gewöh n lichen Dingen der Erde und der Jahreszeiten hat.«
    Er lächelte freundlich. »Mistress Mompellion hat mir von deiner Auffassungsgabe berichtet, die sie für außergewöhnlich hält. Und ich sehe, dass sie Recht hat.« Daraufhin verabschiedete er sich und ging se i nes Weges. Ich blieb mit den Kindern noch eine Weile dort am Bach und dachte, dass man von A u gustinus dasselbe sagen könne wie von unserem Geistlichen, und wie sonderbar es doch sei, einen derart offenen und freundlichen Mann auf unserer Kanzel zu haben.
    Schließlich rief ich Jamie zu mir, und wir machten uns auf den Heimweg. Die ganze Strecke lief Jamie ständig auf die späten Wildrosen zu und pflückte ihre Blüten. Als wir uns der Kate näherten, ließ er mich an der Türe warten. »Mami, mach die Augen zu«, rief er aufgeregt. Folgsam wartete ich mit dem G e sicht in den Händen und überlegte, welches Spiel er jetzt wieder ersann. Wie immer, wenn er es eilig ha t te, hörte ich ihn w ie einen Welpen auf allen vieren die Treppe hi n aufpoltern. Einige Augenblicke später ging droben der Fensterflügel auf.
    »Jetzt, Mami! Schau rauf!« Als ich den Kopf z u rücklegte und die Augen öffnete, fand ich mich in einem Samtregen aus Rosenblättern wieder. Der weiche süße Duftschauer streichelte meine Wangen. Ich zog meine Haube herunter und schüttelte meine langen Haare aus, damit sich die Blätter darin verfi n gen. Klein Tom gluckste vor Freude und hieb mit seinen fetten Fäustchen nach der leuchtenden Kask a de aus Rosa und zartem Gelb. Über mir beugte sich Jamie übers Fensterbrett und schüttelte die letzten Blütenblätter aus einem Betttuchzipfel.
    Dies, dachte ich und lächelte zu ihm hoch, dieser Augenblick ist mein Wunder.
     
    Und so vergingen die wundersamen Tage unserer Gnadenfrist. Ich war beschäftigt mit den Vorbere i tungen für einen Winter, den man sich an jenen schläfrigen Nachmittagen nur schwer vorstellen konnte. Apfelleitern ragten durch die Bäume, und überall wurden in Erwartung eines kühleren Tages Dreifüße zum Schweineschlachten aufgestellt. O b wohl wir kein eigenes Schwein hatten, half ich i m mer meinen Nachbarn, den Hadfields , und bekam dafür eine Portion Speck und Schweinskopfsülze. Alexander Hadfield war ein pingeliger Mann, der lieber Stoffe zuschnitt, als an Fleisch und Knochen herumzuhacken. Deshalb erledigte der älteste Sohn aus Marys erster Ehe das Schlachten und Zubereiten. Jonathan Cooper war, wie sein verstorbener Vater, ein Riesenkerl und fackelte nicht lange herum, wä h rend sein kleiner Bruder Edward mit Jamie heru m rannte. Immer wieder fanden sie Wege, sich um die Arbeiten zu drücken, die wir ihnen auftrugen. Jedes Mal wenn wir sie ein Holzscheit holen schickten, um das Wasser im Kessel am Kochen zu halten, ve r schwanden beide unter lautem Juchzen hinter dem Holzstoß, weil sie schon wieder ein neues Spiel e r funden hatten. Bis schließlich Mary aufhörte, G e därme für die Wursthäute zu waschen, und nac h schauen ging, welchen Schabernack die zwei ausg e heckt hatten. Sie kam mit beiden Händen voll z u rück: Mit der einen hielt sie Edward am Ohr gepackt, die andere streckte sie so weit wie möglich von sich. Am Ende einer Schnur baumelte etwas

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