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Das Pesttuch

Das Pesttuch

Titel: Das Pesttuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: brooks
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nicht durchtrennt ha t ten. Während Mary die glänzende Nachgeburt au s stieß, schickten wir Randoll um ein Messer und ein Stück Faden. Elinor Mompellion machte den Schnitt und band sie ab. Bei einem Blick auf die zerzauste und blutbespritzte Frau konnte ich mir vorstellen, dass ich selbst noch schlimmer au s sah. Wir lachten. Und eine Stunde lang feierten wir mitten in dieser Todeszeit ein Leben.
    Aber noch auf dem Höhepunkt dieser Freude wusste ich, ich würde das Neugeborene an der Brust seiner Mutter zurücklassen und in meine eigene stumme und leere Kate zurückkehren müssen. Und als einziges Geräusch würde mich in meiner Phant a sie das Echo der Kinderschreie meiner beiden Buben begrüßen. Ehe wir uns von den Daniels verabschi e deten, suchte ich deshalb in Mistress Mompellions Deckelkorb nach jener Mohnphiole. Wie ein G e wohnheitsdieb schloss ich verstohlen meine Hand darum und vergrub sie in den Tiefen meines Kleide r ärmels.

 
    So bald schon Staub
     
    Maggie Cantwell kehrte auf einem Handkarren zu uns zurück. Der Morgen war kühl, und drunten im Tal hing feuchter Nebel. Deshalb konnte man nur mit Mühe sehen, was denn genau auf dem Karren lag, der langsam hügelauf geschoben wurde. Dahinter ging gebückt eine winzige Gestalt, die sich unter der Last abmühte.
    Der Witwer Jakob Merrill, der am nächsten zum Grenzstein wohnte, rannte aus seinem Haus, um die Gestalt fortzuwinken. Er dachte, es sei vielleicht ein Hausierer, eine arme Seele aus einer weit entfernten Stadt, der zu uns hertappte, weil er von den Gefahren dieses Ortes nicht wusste. Aber die Gestalt trottete weiter, bis Jakob schließlich sah, dass das Bündel auf dem Karren menschliche Umrisse hatte. Zu guter Letzt erkannte er die den Karren schiebende Gestalt, obwohl sich ihre Gesichtszüge nur schwer erkennen ließen, denn sie war von Kopf bis Fuß mit feuchten faulig-braunen Obstresten besudelt. Es war der junge Brand, der Küchenjunge aus Bradford Hall. Und das Bündel auf dem Karren war Maggie.
    Als Brand den Stein erreichte, wäre er fast z u sammengebrochen. Jakob, der rasch den bedenkl i chen Zustand beider begriff, schickte seinen Sohn Seth mit der Neuigkeit zum Pfarrer, während er selbst einen Kessel Wasser aufs Feuer setzte und se i ne ältere Tochter anwies, sie solle Lappen bringen, damit sich Brand säubern könne. Ich war im Pfar r haus, als das Kind mit der Nachricht eintraf. Wä h rend ich Mister Mompellion Hut und Mantel reichte, fragte ich, ob ich mitreiten könne. Ich w olle sehen, ob ich der armen Maggie beistehen könne. Als wir anhielten, lag Maggie immer noch auf dem Karren. Es hätte Jakob Merrills Kräfte überstiegen, sie ausz u laden. Zum Wärmen hatte er eine Pfe r dedecke über sie geworfen, aber als er sie entfernte, dachte ich z u erst, er habe einen Leichnam zugedeckt. Sie war vor Kälte ganz blau, und ihre Gliedmaßen merkwürdig verzerrt. Der kleine Handkarren ve r mochte ihren mächtigen Körper kaum zu fassen, sodass ihre fle i schigen Waden und die schweren Arme seitlich über die Bretter hinausragten. Einer ihrer Strümpfe hatte einen langen Riss. Das Fleisch hatte sich zum Loch hin verschoben und quoll wie Wurs t fülle aus einem zerschlitzten Darm. Aber was am meisten schockie r te, war ihr Gesicht.
    Als kleines Mädchen hatte ich immer gerne Pu p pen für Aphras Jüngste gemacht. Die Körper arbeit e te ich aus geflochtenen Strohhalmen, auf die ich a n schließend Gesichter aus gelbem Ton auftrug, der sich auf den Grubenböden absetzte. Wenn mir mein Werk manchmal nicht gefiel, strich ich mit der Hand über das Gesicht und begann von vorne, immer auf der Suche nach einem noch menschlicheren Au s druck. Maggie Cantwells rechte Gesichtshälfte eri n nerte an einen Lehmklumpen, den ein ungeduldiger Töpfer entstellt hatte. Während die linke Seite unter der angetrockneten Obstpampe so lebendig wie eh und je wirkte, war die rechte ganz verzerrt. Das Auge war fast geschlossen und tränte, die Wange hing he r unter, der Mund glich einer höhnischen Fratze, aus der Speichel tropfte. Mühsam drehte Maggie den Kopf, um uns mit ihrem guten Auge anzuschauen. Als sie mich erkannte, stieß sie einen Laut aus, der zwischen Stöhnen und Blubbern lag, und fuchtelte mit dem linken Arm. Ich ergriff ihre Hand, küsste sie und versicherte ihr, alles würde gut, obwohl ich ganz genau wusste, dass es vermutlich anders käme.
    Mister Mompellion verlor nicht viele Worte, so n dern machte s ich mit Jakob Merrill rasch

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