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Das Pesttuch

Das Pesttuch

Titel: Das Pesttuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: brooks
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Baby unter Schme r zen gebären. Wir wären übel dran, wenn sie einen Mohnrausch bekäme.«
    »Siehst du, Anna, schon hast du mir geholfen, und Mary Daniels dazu! Du weißt eine ganze Menge mehr, als du dir zutraust.« Inzwischen waren wir bei der Kate der Daniels angekommen. Randoll Daniel hatte uns schon besorgt erwartet und öffnete die T ü re, noch ehe wir angeklopft hatten. Mary lag allein auf einer Pritsche, die man aus ihrem Schlafraum im Speicher heruntergeschafft hatte. Aus Angst vor der Pest hatte Randoll alle Nachbarinnen und Freundi n nen weggeschickt, die sich unter normalen Umstä n den im Zimmer gedrängt hätten. Die Läden waren geschlossen, über dem Eingang hing eine Decke. Dadurch war es im Zimmer sehr düster. Erst nac h dem sich meine Augen einige Zeit umgewöhnt ha t ten, konnte ich erkennen, dass Mary mit dem Rücken an der Wand auf der Pritsche saß und die Knie an die Brust gezogen hatte. Sie war ganz still. Nur die d i cken Schweißperlen über ihren Augenbrauen und die Adern, die an ihrem Nacken wie Schnüre hervortr a ten, verrieten, dass wir sie inmitten einer heftigen Wehe angetroffen hatten.
    Angesichts des kühlen Tages hatte Randoll ein kräftiges Feuer angezündet. Elinor Mompellion wies ihn an, Wasser aufzusetzen. Ich bat ihn außerdem noch um frische Butter, deren Geruch mir noch von meiner eigenen ersten Entbindung in Erinnerung war. Als wir beim zweiten Mal keine hatten, hatte Mem Gowdie um das Fett eines frisch geschlachteten Hühnchens gebeten. Nach Toms Geburt hatten er und ich eine Woche lang nach Huhn gestunken. Sie hatte das Fett zum Massieren und Dehnen meiner Öffnung benutzt, damit sein großer Kopf leichter hindurchkam, ohne dass ich einriss. Ich hoffte, im Dämmerlicht würde Mary nicht sehen, dass meine Hände zitterten. Aber als ich näher trat, schloss sie die Augen und zog sich noch mehr in sich selbst z u rück. Elinor Mompellion war meine Angst nicht en t gangen. Zur Beruhigung legte sie mir eine Hand auf die Schulter, während ich mich hinkniete und die Decke von Marys Knien hob. Ganz sachte legte ich eine flache Hand auf jedes Knie. Als Mary spürte, was ich von ihr wollte, ließ sie sich zur Seite fallen. Murmelnd verfiel ich in den Singsang von Anys, obwohl ich seine Bedeutung nicht verstand: »Mögen die sieben Gebote dieses Werk leiten.« Elinor Mo m pellion warf mir einen merkwürdigen Blick zu, aber ich achtete nicht darauf. »Möge es meinen Großmü t tern, den Urahnen, gefallen. So sei’s denn.«
    Mary Daniel war eine kleine, kräftige Frau um die zwanzig. Ihr Fleisch fühlte sich unter meinen Händen fest und gesund an. Wie gesagt, in ein werfendes Mutterschaf hineinzugreifen ist eine Sache, das Ei n dringen in den Körper einer lebenden Frau etwas gänzlich anderes. Ich holte tief Luft und dachte da r an, wie wichtig es für mich in meinem eigenen G e burtszimmer gewesen war, dass Mem und Anys im Bewusstsein ihres eigenen Könnens so gelassen g e wirkt hatten. Ich war weder gelassen noch selbstb e wusst und besaß keinerlei Fähigkeiten. Aber als me i ne Finger Marys Inneres berührten, schien mir ihr Fleisch s o vertraut wie mein eigenes. Elinor Mo m pellion leuchtete mir mit einer Kerze. Trotzdem a r beitete ich nach Gefühl und nicht nach Augenschein. Was mir meine Finger erzählten, war zuerst gut und dann schlecht. Von jener festen Pforte zu Marys Schoß am Ende ihres Eingangs war nur noch ein winziger Rand spürbar. Glücklich raunte ich ihr zu, sie habe das Schlimmste schon überstanden. Darau f hin stöhnte sie. Es war der erste Laut, den wir von ihr hörten. Ein leises Lächeln huschte über ihr Gesicht, verwandelte sich aber auf der Stelle in ein Stirnru n zeln, als sich die nächste Wehe aufbaute. Jetzt hielt ich meine Hände still, und Elinor Mompellion stre i chelte sie, bis es vorbei war.
    Was mich beunruhigte lag hinter jenem wulstigen Mund, der sich ständig zusammenzog. Eigentlich sollte ich dort einen harten Schädel spüren können, das wusste ich. Stattdessen streckte mir das zur G e burt bereite Kind weiches Fleisch entgegen. Zuerst wusste ich nicht, ob ich eine Pobacke, den Rücken oder einen Teil des Gesichts spürte. Ich zog meine Hände heraus und redete Mary leise zu, sie solle möglichst versuchen herumzugehen. Wenn wir sie zum Gehen bewegen könnten, dachte ich mir, würde sich vielleicht auch das Kind in eine bessere Lage bewegen. Mistress Mompellion stützte sie auf der rechten Seite, während ich die linke

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