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Das Pesttuch

Das Pesttuch

Titel: Das Pesttuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: brooks
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zwei sonst noch alles im Hirn hatten.« Ich beschwor sie, offen auszusprechen, was sie damit meinte, aber es war sinnlos. Aphra konnte störrisch wie ein Maulesel sein. Je mehr ich versuc h te, mit ihr darüber vernünftig zu reden, umso mehr wich sie aus und meinte nur, mein Vater entpuppe sich nun zum ersten Mal in seinem Leben als guter Ernährer. Und ihr stünde es nicht an, ihn deswegen zu schelten.
    Kurze Zeit später entdeckte ich bei einem zufäll i gen Blick aus dem Katenfenster meinen Vater, wie er mit einem Ballen feingesponnener Wolle aus der Weberhütte auf den Schultern die Straße en t langschwankte. Wütend stürzte ich in meinen Garten hinaus und rief: »Vater! Du weißt genau, dass du Mistress Martin mit diesem Ballen übers Ohr geha u en hast. Für eine Stunde Totengräberarbeit bei ihrem Mann. Wie kannst du Trauernde so betrügen? Mit solchem Benehmen bringst du uns alle in Verruf.« Er gab mir keine Antwort. Stattdessen räusperte er sich, spuckte mir einen grün glänzenden Schleimbatzen vor die Füße und setzte seinen Weg zur Taverne fort.
    Obwohl sich Mister Mompellion seit seinem Z u sammenbruch in der Kirche etwas erholt hatte, war ihm inzwischen klar, dass er zu seiner eigenen Arbeit nicht auch noch die des Küsters erledigen konnte. Daher gebot niemand der wachsenden Gier meines Vaters Einhalt. Sonntags versammelten wir uns auf Geheiß des Herrn Pfarrers im Cucklett Delf. Wie ich so in dem steilen Kessel unter dem schwarzen Zweiggewölbe der Ebereschen stand, erkannte ich die große Weisheit hinter der Tat des Herrn Pfarrers. Hier mussten wir uns nicht den Erinnerungen an die Vergangenheit stellen, keine fehlenden Gesichter quälten uns hier. Auf diesem Rasen konnte jeder st e hen, wo er wollte. Trotzdem hielten sich die meisten von uns an die alte Ordnung: Freibauern und Kna p pen ganz vorne, dann die Handwerker, gefolgt von Kleinpächtern und Gesinde. Wir stellten uns so, dass zwischen jeder Familie ungefähr zehn Fuß Abstand waren, was wir für ausreichend hielten, um die Übe r tragung der Infektion zu vermeiden.
    Mein Vater kam nicht zum Steinbruch, weder am ersten Sonntag noch an den nächsten. Normalerweise hätte man ihn für ein solches Benehmen auf den Dorfanger geschleppt und an den Pranger gestellt. Aber inzwischen hatte keiner mehr die Kraft oder den Willen, solche Dinge zu ahnden. Schon viele Monate stand der Pranger leer. Die Folge war, dass mein Vater im Laufe der Wochen noch niederträcht i ger wurde. Inzwischen hatte er seine Nachmittage beim Bierkrug so lieb gewonnen, dass er kundtat, nach dem Mittagsläuten würde er niemanden mehr begraben. In seiner Rohheit klopfte er an die Türen der Kranken mit den Worten, wenn sie ein Grab h a ben wollten, dann würde er es jetzt sofort graben oder gar nicht. So kam es, dass ein Mensch, der noch am Leben war, von seinem Krankenlager aus den regelmäßigen Spatenstichen meines Vaters lauschen musste. Wahrscheinlich hat sein herzloses Verhalten mehr als einen schneller unter die Erde gebracht.
    Mister Mompellion suchte ihn in seiner Hütte auf. Er wollte versuchen, an den letzten Funken Güte zu appellieren, der vielleicht noch in ihm steckte. Ich ging mit ihm. Dazu fühlte ich mich verpflichtet. Trotz der frühen Nachmittagsstunde lag mein Vater bereits schwer benebelt in einem fleckigen Kittel auf seiner Pritsche. Bei unserer Ankunft stand er auf und drückte sich mit einem Grunzen am Herrn Pfarrer vorbei. Kaum war er aus der Türe, schlug er auch schon vor unser beider Augen schamlos sein Wasser ab.
    Vom ersten Schritt an hatte ich gespürt, dass der Herr Pfarrer hier seine Mühe verschwenden würde; nun wusste ich es mit Sicherheit. Lange war es her, seit ich wegen der derben Art meines Vaters rot g e worden war. Nach meiner Heirat mit Sam hatte ich versucht, meine Gefühle so zu zügeln, dass ich mich nicht länger für meinen Vater verantwortlich fühlte. Trotzdem tat es mir weh, dass der Herr Pfarrer so behandelt wurde.
    »Sir«, stieß ich hervor, »lassen Sie uns gehen, denn in diesem Zustand kann man meinem Vater nichts Gutes abringen.«
    Der Herr Pfarrer schaute mich nur freundlich an und schüttelte mit leisem Lächeln den Kopf. »Hier sind wir, Anna, und ich werde das sagen, wozu ich hergekommen bin.«
    Seine Beweisführung war beredt und, was meinen Vater betraf, eine einzige Verschwendung. Mister Mompellion sagte, das ganze Dorf schätze den Wert seiner Arbeit und habe Verständnis für das Risiko, das er sich

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