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Das Pesttuch

Das Pesttuch

Titel: Das Pesttuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: brooks
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das er gegraben hatte. Auch der Herr Pfarrer stand nicht stumm dabei, sondern antwortete meinem V a ter in einer Sprache, die ich noch nie von ihm gehört hatte. Derart derbe Worte hatte er sicher nicht bei den großen Theologen in Cambridge gelernt.
    Mein Vater bellte, er werde sich seine Bezahlung holen. Schließlich habe er ja dafür geschuftet. »Egal, ob Unwins Arschloch heute noch Dreck schluckt oder nicht.«
    Als ich nun ans Fenster trat, sah ich, wie er mit g e schwellter Brust fast gegen die des Herrn Pfarrers stieß. Dicht an dicht standen sie am Grabesrand. Er machte schon Anstalten, aufs Haus zuzusteuern – wahrscheinlich, um sich seine Beute zu sichern –, aber da streckte der Herr Pfarrer die Hand aus und packte ihn. Mein Vater versuchte, sich aus dem Griff zu befreien. Als er merkte, dass es nicht ging, wirkte er plötzlich überrascht. Er hob die Faust. Da ich d e ren Wucht kannte, zuckte ich zusammen. Michael Mompellion stand reglos da. Doch er wartete ledi g lich so lange, bis mein Vater mit geballter Wucht zum Schlag ausholte, dann trat er im allerletzten Moment einen großen Schritt zur Seite, sodass mein Vater durch seinen eigenen Schwung ins Straucheln geriet. Während sein Kopf nach unten fiel, versetzte ihm der Herr Pfarrer rasch einen Nackenhieb. Als er daraufhin zusammensackte, gab er ihm einen harten Schubs. Einen Augenblick hing mein Vater mit wild rudernden Armen über dem Grab. Sein Mund stand vor Erstaunen weit offen. Es wirkte beinahe k o misch. Und dann stürzte er hintüber und landete mit einem Plumps drunten im Schlamm. Ich sah, wie der Herr Pfarrer ins Loch schaute. Vermutlich wollte er sich vergewissern, dass mein Vater nicht schwer ve r letzt war. Der ununterbrochene Schwall von Flüchen, der aus der Grube drang, bewies allerdings hinre i chend, dass ihm nicht viel fehlte.
    Als sich der Herr Pfarrer wieder dem Haus z u wandte, wich ich vom Fenster zurück. Vermutlich wollte er nicht, dass es für diese Szene einen Zeugen gab. Ich ging in die Küche, um für Christopher etwas zu essen herzurichten. Er meinte, er verspüre leisen Appetit. Als ich wiederkam, aß er wie der gesunde junge Mann, der er schon bald wieder sein würde, während der Herr Pfarrer mit ihm scherzte und mei n te, heute Morgen hätten sie mehr als nur dem Schni t ter Tod ein Schnippchen geschlagen.
     
    Im Laufe des Tages erfuhr ich noch, dass man me i nen Vater aus der Hauertaverne geworfen hatte, so gewalttätig war er geworden, während er im Suff wegen seiner verlorenen Beute und der Demütigung im Schlamm jammerte. Einerseits war ich froh, dass der Schankwirt seinem Benehmen endlich Grenzen gesetzt hatte, und doch sorgte ich mich um Aphras Kinder. Ich trug meine Sorgen Elinor vor, und sie hatte eine Idee, die Kinder unter dem Vorwand kommen zu lassen, im Heilgarten der Gowdies gäbe es Arbeit für sie. Gewiss gab es dort vieles zu tun, was wir bisher nicht geschafft hatten: Umgraben und Jäten und Düngen, alles in Erwartung der reichen Pflanzenernte in diesem Jahr. Diese Botschaft übe r brachte ich mit möglichst taktvollen Worten. Vie l leicht begriff Aphra auf diese Weise, dass dort auch Platz für sie sei, falls sie nicht weiter in ihrer Hütte bleiben wollte. Aber Aphra durchschaute meine A n spielung und lachte mich offen aus.
    »Mach dir um mich keine Sorgen, Mädel. Ich hab so meine Mittel, diesen Maulesel zu bändigen.«
    Damit überließ ich sie ihren Möglichkeiten und beschloss für meinen Teil, nicht mehr an meinen V a ter zu denken und die Scham über ihn auf einen we i teren leisen Kummer schrumpfen zu lassen. Noch ein düsterer Gedanke für meine schlaflosen Nächte.
    Kurz vor Tagesanbruch erhob ich mich wie e r schlagen und ging zum Wasserholen an den Bru n nen. Es war einer jener seltenen Tage im frühen A p ril, in denen uns die Natur einen Vorgeschmack auf den kommenden Frühling bietet. Die unerwartet mi l de Luft ließ mich im Garten verweilen, wo ich den weichen Duft der langsam wärmer werdenden Erde einatmete. An jenem Morgen war der Himmel wu n derschön. Überall flauschige Wolkenknäuel, vom Horizont bis hoch hinauf, als hätte ein Scherer frisch geschorene Wolle in die Luft geworfen. Vor meinen Augen streiften die Strahlen der aufgehenden Sonne jeden Wolkenrand und verwandelten ihn in reines Silber. Dann wechselte das Licht erneut, aus dem Silbergrau wurde ein tiefes Rosenrot. Abendröte – keine Nöte, Morgenrot – Seemanns Tod. Diesen Spruch hatte mir mein Vater

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