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Das Pesttuch

Das Pesttuch

Titel: Das Pesttuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: brooks
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aufbürde. Dies sei keine schöne Arbeit, für die er mit Recht einen Lohn beanspruche. Habe doch selbst in den alten Sagen jener Fährmann, der die Seelen über den Styx trug, seinen Obolus ve r langt. »Und doch, Joss Bongt , flehe ich Sie an, Maß zu halten.«
    »Maß halten!«, brüllte mein Vater. »Jaja, das ist alles, was ihr wollt, ihr Blutsauger. Mich arm ha l ten!« Anschließend spulte mein Vater einen langen Sermon voller Selbstmitleid darüber ab, wie schlecht man ihn als Jungen auf See behandelt und wie er seither noch kein einziges Mal in seinem Leben e i nen ordentlichen Tageslohn verdient habe.
    »Ausbluten, das tut ihr uns. Euresgleichen denkt sich doch nichts dabei, uns für einen Hungerlohn das Rückgrat zu brechen. Und dann tut ihr so, als sollten wir euch für den halben Penny, den ihr uns zuwerft, auch noch die Stiefel küssen.« Während seine Sti m me immer lauter wurde, bildeten sich Schaumblasen in seinen Mundwinkeln. Sein Speichel spritzte durch den Raum. »Und wenn ich dann endlich ‘nen Weg finde, mir meinen Schweiß ein bisschen zu entlo h nen, kommt ihr her und versucht m ir zu sagen, was ich für meine Plackerei nehmen kann und was nicht! Ha! Meiner Tochter habt ihr vielleicht so viel Honig ums Maul geschmiert, dass sie eure Pisspötte leert, aber Joss Bongt wickelt keiner von euch ein! Wenn ihr euch so stark vorkommt, dann begrabt doch die Blatterntoten selber.« Jetzt drehte er uns den Rücken zu. »Mädel, schaff deinen Pfaffen hier raus, sonst tu ich’s eigenhändig«, sagte er.
    »Spar dir deine Kraft für deinen Spaten, Joss Bongt .« Mister Mompellions Miene war gelassen. L e diglich seine Stimme war so kalt, dass ich dachte, sie würde meinen Vater wie ein Eissturm hinwegf e gen. »Verschwende sie nicht dafür, mich hinausz u werfen. So wie auch ich keinen Atemzug mehr ve r schwe n den werde, das Gute in deinem Herzen zu suchen, da ich erkenne, dass dir nichts davon gebli e ben ist.«
    Darauf gab mein Vater keine Antwort, sondern warf sich einfach wieder auf sein Lager, rollte sich herum und zeigte uns seine Kehrseite, während ich dem Herrn Pfarrer die Tür zur Hütte aufhielt. In den nächsten paar Wochen nahm der Herr Pfarrer ta t sächlich seine Arbeit als Totengräber wieder auf. I r gendwie fand er die Kraft, alle zu begraben, die so arm waren, dass sie nichts besaßen, was mein ha b gieriger Vater begehrte. Ich dagegen war froh, dass ich nicht mehr seinen Namen trug, denn immer öfter verfluchte man ihn in allen Hütten und Katen.
    Bis er schließlich eine so scheußliche Untat b e ging, dass sich selbst unsere geschundene Dorfg e meinschaft endlich zum Handeln gezwungen sah. Neun Tage war Christopher Unwin, der letzte übe r lebende Sohn einer ehemals zwölfköpfigen Familie, auf seinem Krankenlager gelegen, weitaus länger als die meisten, wenn sie erst einmal befallen waren. Ich hatte ihn mehrmals besucht, genau wie Elinor und Michael Mompellion . Inzwischen beteten wir schon, er möge, wie Margaret Blackwell, einer der wenigen sein, die trotz Ansteckung die Pest überlebten.
    Doch dann fand ich eines Morgens, kurz nachdem ich Sülze und Haferkuchen für das Frühstück der Mompellions hereingebracht hatte, einen aufgeregten Randoll Daniel im Küchengarten vor. Mary oder das Baby sind krank, war mein erster Gedanke. Mein Mut sank, denn der kleine Junge war mir ans Herz gewachsen, war er doch das erste Baby, das ich en t bunden hatte.
    »Nein, um Gottes willen«, sagte Randoll, »beide sind wohlauf. Nein, es geht um meinen Freund Christopher Unwin. Seinetwegen bin ich hier. Ge s tern Abend hat mir Mary Schweinskopfsülze zum Essen gemacht, und heute Morgen dachte ich mir, ich bring ihm einen Teller. Aber er wollte keinen Bissen davon und meinte, er spüre seine Kräfte schwinden. Er bat mich, den Herrn Pfarrer zu holen.«
    »Danke, Randoll, ich werde es Mister Mompellion sagen.«
    Da der Herr Pfarrer noch kaum zu essen begonnen hatte, wollte ich die Nachricht so lange aufsparen, bis er fertig war. Aber Elinor hatte im Garten Stimmen gehört und bat mich zu sich. Nun blieb mir nichts anderes übrig, als es zu erzählen. Der Herr Pfarrer legte seine Gabel sofort weg, schob seinen unang e tasteten Teller fort und stand müde vom Tisch auf. Auch Elinor wollte schon aufstehen, aber an jenem Morgen sah sie noch blasser aus als sonst. Deshalb schlug ich rasch vor, ich würde Mister Mompellion begleiten, während sie sich hier um unsere Kräute r kessel

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