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Das Pesttuch

Das Pesttuch

Titel: Das Pesttuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: brooks
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es dafür nicht.
    Im Innenhof versammelten sie sich, genau wie an jenem Abend, als Merry Wickford dem Bergmeister ihren Zentner brachte. Natürlich waren es weniger, denn in den dazwischen l iegenden Wochen hatte die Pest drei von den letzten zwanzig Mitgliedern der Knappschaft gefällt. Im Hof standen zwei lange T a vernentische. Einen Stock höher verlief ringsum eine Galerie, von der in besseren Tagen die Wirtshausgä s te Zugang zu ihren Zimmern hatten. Doch seit jenem Sonntagseid hatte es keine Reisenden mehr gegeben, und die Zimmer standen leer. Einige Knappen sta n den oben auf der Galerie. Ob sie dies taten, um sich besser gegen den Schnee zu schützen oder um zu i h ren Kameraden größeren Abstand zu wahren, kann ich nicht sagen. Als die Gruppe um den Bergmeister in den Hof kam, traten an die sechs oder sieben näher ans Geländer und schauten zu uns herab. Die Männer in unserer Nähe an den Tavernentischen verkrochen sich tief unter ihre Decken oder Umhänge, während der Schnee seine weißen Flocken auf uns fallen ließ. Alle machten grimmige Gesichter. Ich suchte mit meinen Blicken Aphra, fand sie aber nicht. War sie zu eingeschüchtert, um zwischen diesen zornigen, finsteren Männern zu erscheinen? Der Schneefall schien jedes Geräusch im Hof zu dämpfen, sogar die dröhnende Stimme von Alun Houghton , der am Kopfende des größeren Tisches Platz genommen ha t te.
    »Josiah Bongt !«
    Mein Vater stand mit gefesselten Händen am a n deren Tischende. Zwei Knappen hielten ihn fest. Als er dem Bergmeister keine Antwort gab, versetzte Henry Swope, der Größere von beiden, meinem V a ter mit der Hand einen heftigen Schlag auf den Hi n terkopf.
    »Wirste wohl dem Bergmeister mit › Anwesend ‹ antworten!«
    »Anwesend«, murmelte mein Vater mürrisch.
    »Josiah Bongt , die Verbrechen, die ihn an diesen Ort gebracht haben, sind ihm wohl bekannt. Er ist kein Knappe, und in normalen Zeiten hätte dieses Gericht mit einem seinesgleichen n ichts zu schaffen. Aber wir sind der letzte Rest Gerechtigkeit an diesem Ort, und Gerechtigkeit werden wir hier walten la s sen. Alle hier Versammelten müssen außerdem wi s sen, dass dieses Berggericht nicht für Mord und ve r suchten Mord zuständig ist. Und deshalb ziehen wir Josiah Bongt nicht für diese Dinge zur Verantwo r tung. Aber für alles Weitere tun wir es. Zum Ersten halten wir fest, dass er bezichtigt wird, am dritten Apriltag im Jahre unseres Herrn 1665 das Haus von Christ o pher Unwin, Knappe allhier, betreten und daraus einen silbernen Wasserkrug entwendet zu h a ben. Was sagt er dazu?«
    Wieder schwieg mein Vater. Sein Kopf war auf die Brust gesackt. Swope riss meines Vaters Kopf hoch und zischte ihn an: »Schau er dem Bergmeister dort ins Auge, Joss Bongt , und sprech er deutlich Ja oder Nein, sonst setzt’s was.«
    Die Stimme meines Vaters war kaum hörbar. Er musste den Hass gespürt haben, der ihm von den Männern in diesem Hof entgegenschlug. Und sogar sein vom Grog umnebeltes Gehirn musste sich au s gerechnet haben können, dass sie ein längerer Au f enthalt in der Kälte nur noch mehr in Rage bringen und dadurch seine Bestrafung noch heftiger ausfallen würde.
    »Ja«, sagte er schließlich.
    »Zum Zweiten halten wir fest, dass er bezichtigt wird, am selben Tag aus selbigem Hause ein silbe r nes Salzfass entwendet zu haben. Was sagte er d a zu?«
    »Ja.«
    »Zum Dritten halten wir fest, dass er am selben Tag aus selbigem Hause kunstvoll geflochtene, schmiedeeiserne Leuchter entwendet hat. Was sagt er dazu?«
    »Ja.«
    »Zum Vierten halten wir fest, dass er am selben Tag dem Christopher Unwin in persona ein Nach t hemd aus Kammertuch entwendet hat. Was sagt er dazu?«
    Bei diesem letzten Satz schien sich sogar mein V a ter zu schämen. Wieder ließ er den Kopf hängen. Gedämpft fiel sein »Ja« auf seine Brust.
    »Josiah Bongt , da er diese Verbrechen gesteht, b e finden wir ihn für schuldig. Hat jemand den Wunsch, für diesen Mann zu sprechen, bevor ich seine Strafe verkünde?«
    Jetzt wandten sich aller Augen zu der Stelle, wo ich rechts hinter Alun Houghton an der Wand stand und versuchte, im Schatten zu verschwinden. Alle Augen, einschließlich die meines Vaters. Zuerst starrte er mich unverwandt mit einem hochmütigen Blick an, als sei er der Allergrößte. Aber als ich se i nen Blick stumm erwiderte, wurde daraus Verblü f fung, dann Verwirrung, bis schließlich sein ganzes Gesicht zusammensackte, als er begriff, dass ich nichts sagen

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