Das Pestzeichen
Verhalten war der Traum ausgeträumt.
Wie jeden Tag rief die Arbeit. Anna stand langsam auf und zog ihr Kittelkleid über. Es war Zeit, dem Gefangenen etwas zu essen zu bringen.
Urs hörte, wie sich der Schlüssel im Schloss umdrehte, und blickte erwartungsvoll zur Tür. Als sie sich öffnete und Jeremias den Kellerraum betrat, zuckte er zusammen und sprang auf.
»Was willst du?«, schrie er ihm entgegen und schaute sich nach einem Gegenstand um, den er zur Verteidigung nutzen konnte, da er befürchtete, Jeremias würde gewalttätig werden.
Jeremias erkannte den ängstlichen Blick des Burschen und griente. »Ich werde dir nichts tun«, versprach er und lehnte die Tür an, vor die er sich breitbeinig stellte. »Ich hoffe, du hattest eine angenehme Nacht«, höhnte er und schaute Urs finster an. Als er den wütenden Blick des Burschen sah, erklärte er: »Ich hatte keine andere Wahl, als dich vor dem Brunnen niederzuschlagen. Hättest du oder Susanna mir freiwillig die magischen Schriften gegeben, wäre es nicht so weit gekommen.«
»Ich habe die Schriften nicht«, presste Urs hervor.
Jeremias nickte. »Ich weiß, denn ich habe sie bei dir nicht gefunden. Demnach muss Susanna sie haben.«
»Warum wurde ich eingesperrt?«
»Das ist eine Verkettung von unglücklichen Zufällen«, versuchte Jeremias lächelnd zu erklären, doch seine Augen blieben kalt. »Als du ohnmächtig vor dem Brunnen lagst, musste ich mir rasch einen guten Grund ausdenken, warum ich dich bewusstlos geschlagen habe, denn zwei Bauern hatten mich beobachtet.«
Jeremias hielt kurz inne und führte die Fingerspitzen beider Hände zusammen. Als er dabei die Achselhöhlen zusammenpresste, spürte er unerwartet Schmerzen. Er ließ sich nichts anmerken. Wie ein Gelehrter ging er vor der Tür hin und her und winkelte dabei die Arme vom Körper ab, damit der Schmerz nachließ. »Ich habe ihnen erzählt, dass ich dich erwischt hätte, wie du im Begriff warst, den Brunnen zu vergiften, um die Pest über sie zu bringen«, erklärte er ungerührt.
Urs’ Augen wurden riesengroß, und er schrie: »Du bist von Sinnen! Wie kannst du solch eine Lüge über mich verbreiten? Ich bin ein Heiler und kein Vergifter. Sie werden dir nicht glauben.«
»Das haben sie bereits, denn sie haben dich eingesperrt«, spottete Jeremias. »Du darfst nicht vergessen, dass du ein Fremder bist. Deine Aussprache ist ebenso sonderbar wie dein Aussehen.«
»Du bist geisteskrank«, schrie Urs erneut. Jeremias machte einen Schritt auf ihn zu, und Urs wich zurück. »Komm mir nicht zu nahe!«, schrie er und hielt abwehrend die Hände vor den Körper.
»Dann halt dein Maul«, fauchte Jeremias und ging zurück zur Tür.
Urs ließ sich das Reden nicht verbieten. »Du musst ihnen sagen, dass du dich getäuscht hast und sie mich wieder frei lassen müssen«, forderte er mit schriller Stimme, die sich fast überschlug.
Jeremias seufzte gespielt auf. »Das ist leider nicht möglich, denn sie würden es nicht glauben wollen. Doch sei beruhigt! Da sie einen Amtmann aus Saarbrücken kommen lassen, hoffe ich, dass schon bald deine Unschuld bewiesen wird.« Er wandte sich zur Tür, doch Urs brüllte: »Du kannst mich hier nicht zurücklassen!«
Jeremias lächelte herablassend und sagte: »Doch, das kann ich, denn ich muss einen Schatz finden. Und solange du hier eingesperrt bist, kommst du mir nicht in die Quere.« Er öffnete die Tür einen Spalt und schlüpfte hinaus. Gehässig lächelnd drehte er den Schlüssel herum, als er hinter sich ein Geräusch hörte. Mit einem Ruck wandte er sich um und erblickte Anna, die aus einer dunklen Nische hervortrat, einen Krug und Brot in Händen haltend.
»Wie lange stehst du da schon?«, fragte Jeremias grimmig.
»Lang genug, um zu wissen, dass du den Burschen und uns alle reingelegt hast.«
Der Blick von Jeremias verdunkelte sich, aber bevor er antworten konnte, fauchte Anna: »Du bist wahrlich ein Mistkerl. Doch das gefällt mir. Gib mir einen Teil von dem Schatz ab, und ich werde schweigen wie ein Grab.« Triumphierend zog sie eine Augenbraue in die Höhe und fügte schnaubend hinzu: »Ich will in Saarbrücken ein neues Leben beginnen, und dabei wirst du mir helfen!«
»Das könnte dir so passen«, presste Jeremias hervor und kam bedrohlich auf sie zu, als der Wirt von oben die Kellertreppe hinabrief: »Anna, bist du im Keller?«
»Jeremias und ich bringen dem Gefangenen zu essen«, antwortete sie und blickte Jeremias hämisch an.
»Beeil
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