Das Pestzeichen
dich! In der Küche stapelt sich das Geschirr vom Vortag. Und sag unserem Helden, dass ich ein Bier für ihn hier stehen habe.«
»Nur ein paar Münzen, damit ich sorgenfrei leben kann und niemanden mehr bedienen muss«, raunte sie Jeremias zu und ging an ihm vorbei, um die Kellertür aufzusperren. Hastig stellte sie den Krug auf den Boden und legte den Kanten Brot daneben. Sie blickte Urs kurz an, der flehend ihren Namen rief. Doch da hatte sie die Tür bereits wieder geschlossen und den Schüssel herumgedreht.
»Nur ein paar Goldmünzen«, wiederholte Anna, und Jeremias nickte ihr zu. Schallend lachend ging sie die Treppe nach oben.
Jeremias wusste, dass Anna ihm keine andere Wahl ließ, denn sollte er sie abweisen, würde sie dafür sorgen, dass man ihn verfolgte. Nur um sie zum Schweigen zu bringen, hatte er zugestimmt.
»Verdammt«, fluchte er. »Ich muss mir etwas einfallen lassen, damit weder sie noch Markus einen Anteil des Schatzes abbekommen.«
Jeremias beschloss, die Entscheidung, wie er das Teilen verhindern könnte, auf später zu verschieben, als er hörte, wie Urs heftig gegen die Tür hämmerte und seinen Namen schrie. Er ließ sich nicht in seinen Gedanken stören, denn er musste schnell zurück zur Kirche und Susanna zwingen, die Schriften herauszurücken.
»Wenn es sein muss, werde ich sie mir mit Gewalt von dem Luder nehmen«, murmelte Jeremias keuchend und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
–·–
Susanna konnte es kaum erwarten, dass es hell wurde, denn sie wollte nach Gersweiler, um Urs zu finden. Zu ihrer eigenen Überraschung hatte sie in dieser Nacht festgestellt, wie sehr sie sich an ihn gewöhnt hatte. Sie vermisste Urs, ja, sie sorgte sich sogar um ihn. Ihre anfänglichen Vorbehalte gegen den merkwürdigen Fremden aus einem ihr unbekannten Land waren wie weggeflogen. Sie hatte Gefallen an seiner sonderbaren Aussprache gefunden, und sie fühlte sich geborgen, wenn er mit ihr sprach. Urs, davon war Susanna in dieser Nacht überzeugt, würde sie beschützen und umsorgen und ihr sagen, dass alles gut werde. Seine Anwesenheit würde sie beruhigen, sodass das Zittern ihrer Glieder nachlassen würde. Obwohl sich Susanna die Nacht zuvor dicht an Dickerchen gepresst hatte, konnte sie kein Auge zumachen, da sie die Kirche nicht aus dem Blick lassen wollte. Der Gedanke, dass Markus nur wenige Schritte von ihr entfernt tot in diesem Gemäuer lag, ließ sie erschauern und ihr Herz rasen. Dennoch war Susanna entschlossen, seinen Leichnam hinter der Kirche neben den anderen zu beerdigen. Ihr Gewissen zwang sie, ihn nicht unbestattet zurückzulassen.
Sie griff zu der Stelle unterhalb der Brust, wo die magischen Schriften eng an ihrem Körper versteckt waren. Wenn ihr Vater gewusst hätte, wie viel Unglück das Heftchen über sie alle bringen würde, niemals hätte er sich darauf eingelassen. Zu viele Menschen hatten wegen dieser Schriften schon ihr Leben verloren. Warum habe ich sie nicht verbrannt? , dachte Susanna wehmütig. Als ihr Tränen in die Augen schossen, wischte sie sich energisch über das Gesicht.
Ratten fiepten und schreckten Susanna aus ihren Gedanken auf. Ängstlich reckte sie ihren Kopf und blickte zur Kirche. Sie glaubte eine ganze Armee des Ungeziefers zu erkennen, die das Gotteshaus stürmte. Susanna schloss angewidert die Augen und konnte nicht verhindern, sich an ihren ermordeten Bruder Johann zu erinnern, an dem die Ratten genagt hatten. »Ich kann nicht in dieses Rattenloch gehen«, flüsterte sie, stand auf und legte Dickerchen die Trense an.
Jeremias wollte ohne ein Wort des Abschieds aus Gersweiler fortreiten, als Anna ihm am Stall auflauerte.
»Ich habe geahnt, dass du abhauen würdest«, schimpfte sie und stemmte ihre Hände in die Hüften. Als Jeremias seelenruhig sein Pferd sattelte, drohte sie: »Sei gewiss, wenn du mich um meinen Anteil betrügen willst, werde ich dir alle Männer der Umgebung auf den Hals schicken.«
Jeremias blickte sie finster an und ging auf sie zu, als ein Hustenanfall seinen Körper schüttelte und ihn in die Knie zwang.
»Was hast du?«, fragte Anna und sprang zu ihm, um ihm aufzuhelfen. Dabei griff sie unter seinen Arm, und er schrie vor Schmerzen auf.
»Fass mich nicht an!«, brüllte er.
Anna ließ ihn erschrocken los. »Du hast dich sicher erkältet«, sagte Anna, als sie sein schweißnasses Gesicht betrachtete.
»Das wird es sein«, antwortete Jeremias keuchend und ging langsam zu seinem Pferd.
»Ich warte drei Tage
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