Das Pestzeichen
nicht.
Anna schaute sich um und stellte freudig fest, dass sie die Aufmerksamkeit eines jeden genoss. Sie tobte: »Wenn ich gewusst hätte, was dein Freund und du für ein Pack seid, hätte ich euch sofort rausgeschmissen.«
Susanna konnte sich auf das Verhalten der jungen Magd immer noch keinen Reim machen. »Ich verstehe nicht, was du meinst«, sagte sie und sah sie verwundert an.
»Schau nicht so! Einen schönen Freund hast du dir angelacht«, lästerte Anna. »Einen Giftmischer, der unseren Brunnen verseuchen wollte«, erklärte sie, ohne Rücksicht auf das Mädchen zu nehmen.
»Du lügst«, flüsterte Susanna, entsetzt ob des Vorwurfs. »Urs wäre dazu nicht fähig. Er ist ein guter Mensch und hat nichts Schlechtes an sich«, verteidigte sie ihn inbrünstig.
Anna winkte ab und höhnte: »Ha, der gute Mensch wurde auf frischer Tat ertappt.«
Jetzt mischte sich einer der beiden Männer ein. »Die Anna spricht die Wahrheit! Zum Glück hat Jeremias ihn mutig niedergeschlagen. Wäre er nicht zur rechten Zeit an Ort und Stelle gewesen, wäre ein großes Unglück über uns gekommen. Nur Jeremias haben wir zu verdanken, dass uns nichts geschehen ist. Er ist ein wahrer Held, denn er hat die Gefahr erkannt und gebannt«, lobte der Mann den Retter in hohen Tönen und mit ernster Miene.
Susanna blickte verständnislos in die Runde und musste plötzlich kichern. Als sie sich nicht mehr beherrschen konnte, lachte sie schallend los. Diese Geschichte war so unglaublich, dass sie keine Worte dafür fand.
»Jetzt ist sie durchgedreht«, spottete Anna und blickte das Mädchen zweifelnd an.
Susannas Lachen verstummte, und ihr Gesichtsausdruck wurde bitterböse, denn sie wollte nicht glauben, dass diese Menschen so blind waren und einen Schuft nicht von einem ehrlichen Menschen unterscheiden konnten. Gerade als sie ihre Meinung über Jeremias äußern wollte, sagte Anna in gehässigem Ton: »Schon als ich seine sonderbare Aussprache hörte, hätte ich mir denken können, dass er ein Bösewicht ist.«
»Du bist nicht richtig im Kopf«, ereiferte sich Susanna. »Wie kann man jemandem wie Jeremias vertrauen? Er ist der schlechteste Mensch, den ich kenne. Er ist ein Gauner – ein wahrhaft böser Mensch.«
Anna griente gehässig. »Das würde ich auch behaupten, wenn ich dadurch die Schuld von meinem Liebhaber abwehren könnte. Nur ich, ich hätte nicht solch einen Mann«, tönte sie.
Susanna wollte aufbegehren und klarstellen, dass Urs und sie kein Liebespaar waren. Aber das ging niemanden etwas an, zumal sie spürte, dass man ihr nicht glauben würde.
»Wo ist er?«, fragte sie leise, denn ihre Kraft schien aufgebraucht zu sein. Sie wollte nichts mehr erklären, sich nicht mehr verteidigen, sondern sie wollte nur noch zu Urs, damit sie wusste, dass es ihm gutging.
Anna zog verächtlich eine Augenbraue in die Höhe.
»Sag mir bitte, an wen ich mich wenden muss, damit ich ihn sehen kann«, bettelte Susanna und schaute die Magd flehend an, doch die schüttelte den Kopf.
»Das kann ich nicht zulassen. Niemand darf zu ihm, bis der Amtmann aus Saarbrücken da ist.«
»Was hast du damit zu tun?«
Anna zog einen Schlüssel zwischen ihren Brüsten hervor. »Ich bin seine Gefängniswärterin«, erklärte sie lachend.
»Er ist hier im Gasthaus«, schlussfolgerte Susanna.
Anna stampfte mit dem Fuß mehrmals auf den Holzboden. »Er sitzt hier unten im Keller, wo du nicht hingehen darfst.« Damit ließ sie das Mädchen stehen und ging zur Theke. »Es ist besser, wenn du jetzt gehst. Für dich ist hier kein Platz«, sagte sie und verschwand aus der Wirtsstube.
Susanna sah ihr ungläubig hinterher, als sie die Blicke der übrigen Anwesenden spürte. Ohne ein weiteres Wort verließ sie hastig die Stube.
Anna schloss ihre Kammertür und lehnte sich mit heftig pochendem Herzen dagegen. Die gegen Susanna ausgestoßenen Gehässigkeiten waren ihr nicht leichtgefallen, da sie wusste, dass das Mädchen die Wahrheit über Urs und auch über Jeremias gesprochen hatte. Mehrmals war sie versucht gewesen, Susanna die Wahrheit zu sagen, denn das Mädchen tat ihr leid. Auch jetzt haderte Anna mit sich, weil sie dem Burschen und dem Mädchen nicht geholfen hatte.
»Ich habe keine andere Wahl, wenn ich ein besseres Leben für mich will«, presste sie zwischen den Zähnen hervor und unterdrückte ihr schlechtes Gewissen. »Ihm wird schon nichts passieren«, hoffte sie und fasste zu der Stelle, wo sie den Schlüssel verwahrte. »Der Amtmann wird
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