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Das Pestzeichen

Das Pestzeichen

Titel: Das Pestzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zin meister Deana
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zu dienen, hatte er sich über den Kurfürsten kundig gemacht. Was er über ihn erfahren hatte, beeindruckte ihn, denn Karl Kaspar von der Leyen schien ein anderer Regent als seine Vorgänger zu werden.
    Auf Grund seiner Erkundigungen war Jaggi Blatter davon überzeugt, dass es dem Kurfürsten gelingen konnte, sein Land aus der Zerrüttung zu führen, in das es der erst kürzlich beendete lange Krieg gestürzt hatte. Karl Kaspar von der Leyen besaß nämlich nicht nur die nötigen geistigen Eigenschaften, sondern hatte auch einen festen Willen, zumal er auf eine Rolle in der großen Politik verzichtete, die sein Vorgänger beansprucht und die das Unglück des Landes wesentlich mit herbeigeführt hatte. Jaggi war zu Ohren gekommen, dass der Kurfürst versuchen wollte, innerhalb des ihm zugewiesenen kleinen Kreises die notwendigen und nächstliegenden Dinge voranzutreiben. Dazu gehörten die Wiederherstellung des durch den Krieg zerstörten Wohnraums, die Verbesserung der Rechtspflege, die Hebung des Ackerbaues und des Gewerbes. Dies waren die Aufgaben, denen von der Leyen fortschreitend und unter Mitwirkung seiner Landstände seine Fürsorge widmete. Dabei verlor er nie die Gefahr künftiger Kriege aus dem Blick, weshalb er auch für eine bessere Bewehrung des Landes sorgte.
    Jaggi Blatter stöhnte innerlich auf. Aus diesem Grund sollten seine Truppen in zwei Tagen nach Coblenz ziehen, denn insbesondere die Festungswerke von Coblenz und Ehrenbreitstein wurden in besseren Stand gesetzt, sodass die Soldaten dort untergebracht werden konnten.
    Karl Kaspar von der Leyen hielt in seiner Bewegung inne. »Ich kann es drehen und wenden, wie ich will: Ich kann nicht auf Euch verzichten. Zumal ich wegen einer anderen Angelegenheit einige Tage länger in Trier bleiben muss.«
    Als er Blatters enttäuschten Blickes gewahr wurde, erklärte er: »Nachdem ich die Hexenprozesse verboten habe, will ich mich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass man die Akten über diese unsäglichen Prozesse vernichtet. Ich kann in dieser Angelegenheit niemandem trauen, da es zu viele gibt, die nicht meiner Meinung sind. Nur wenn die Schriftstücke vernichtet sind, können die darin enthaltenen Verdächtigungen von angeblichen Mittätern niemanden mehr belasten.« Dann winkte er ab und fuhr mit fester Stimme und hartem Blick fort: »Aber das ist für Euer Problem ohne Belang. Obwohl Ihr erst seit kurzem in meinem Dienst seid, vertraue ich Euch meine Soldaten an und kann Euch nicht entbehren. Einerlei, aus welchem Grund.«
    Jaggi Blatter fühlte sich tief geehrt vom Urteil des Regenten. Aber er hatte keine andere Wahl und forderte deshalb: »Eure Eminenz, ich möchte Euch bitten, mich aus Eurem Dienst zu entlassen.«
    Der Kurfürst schaute ihn mit leicht zusammengekniffenen Augen an. »Dieses Ansinnen habe ich erwartet!«, sagte er. »Ihr wisst, dass ich dem nicht zustimmen kann und auch nicht zustimmen will. Zum einen habt Ihr Euch verpflichtet, mir zu dienen, und zum anderen will ich auf Euch, wie ich schon sagte, nicht verzichten. Außerdem, mein lieber Blatter, wie wollt Ihr Euren Sohn aus dem Kellerloch befreien? Mit Gewalt? Oder hofft Ihr, die Bürger von Gersweiler umstimmen zu können?«
    Von der Leyens Bemerkung traf ins Schwarze. Erst jetzt wurde Jaggi bewusst, dass er zwar die Absicht hatte, Urs zu befreien, aber keinen Plan, wie er es anstellen sollte. Wie wollte er seinem Sohn helfen? Er schloss für einen Augenblick die Augen.
    »Ich kann meinen Jungen nicht im Stich lassen«, erklärte er und schaute den Erzbischof, der wieder hinter seinem Schreibtisch Platz genommen hatte, mit entschlossenem Blick an.
    »Das müsst Ihr auch nicht«, erklärte von der Leyen nun milde und nahm ein Blatt Papier und seinen Federkiel. »Ihr werdet mit den Soldaten nach Coblenz reiten, und dafür werde ich Folgendes für Euch und Euren Sohn tun …«
    Als Jaggi vor seinem Haus stand, waren seine Augen vom Weinen gerötet. »Seit ich ein Kind war, habe ich nicht mehr geheult«, schimpfte er leise mit sich selbst. Er lehnte sich gegen die Hauswand und wartete, bis er seine Gefühle wieder unter Kontrolle hatte, denn niemand sollte seine Schwäche sehen. Schon während ihm Karl Kaspar von der Leyen sein Vorhaben schilderte, hatte Jaggi gespürt, dass er seine Beherrschung nicht mehr lange aufrechterhalten konnte. Er hatte das Kurfürstliche Palais kaum verlassen, da lief er in eine verlassene Seitengasse, wo er unbemerkt seinen Gefühlen freien Lauf lassen

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