Das Pete Buch 02 - Gespenster haben kurze Beine
gemütlichen Wohnzimmer des Ranchhauses beim Abendessen. Die Negerköchin hatte gut vorgesorgt, und Nora gestand, daß es ihr niemals so gut geschmeckt habe.
Insgeheim mußte sie sich eingestehen, daß sie bisher unvernünftige Vorurteile gehegt hatte. In der Stadt aufgewachsen, hatte sie immer gedacht, die Landjugend wäre dumm und jedenfalls ein bißchen primitiv — aber sie erkannte bald, daß Dorothy und Pete nicht nur im Ranchleben bewandert waren. Beide hatten eine ausgezeichnete Schule besucht und sich auch noch weitergebildet. Der Bücherschrank — vielmehr dessen Inhalt — erregte Noras helle Verwunderung. Sie hatte niemals geglaubt, daß Rancherkinder derart lesehungrig sein könnten . . .
„Du kannst dir morgen alles genauer ansehen", meinte Pete. „Zunächst wollen wir unseren Kaffee trinken und dann eine Beratung abhalten, wie wir dich am besten verstecken können, ohne daß die Detektive dich finden--."
„Wo ist sie?" — Ein Planet namens Watson — Nora verschwindet — Dorothy verschwindet ebenfalls — Wer ist der „Schwarze Jack"?
Am frühen Morgen kamen drei Reiter auf die Salem-Ranch. Der Detektiv Yale nahm sofort hinter dem Ranchhaus Aufstellung. Strong bewachte den Vorplatz, und John Watson, der diesmal das Sheriffs-Abzeichen wohlweislich mitgebracht hatte, betrat das Haus.
Der Besuch kam überraschend; denn Pete hatte seine Freunde vom Geheimbund bereits in der Nacht nach Hause geschickt — und so waren keine Wachtposten aufgestellt gewesen.
Pete und Dorothy saßen beim Frühstück, als Watson eintrat.
„Ei, ei — wer kommt denn da?" sagte Pete. Watson blickte sich in dem Zimmer um. Er zählte die Kaffeetassen auf dem Tisch.
„Morgen!" sagte er kurz angebunden. „Wo ist sie?"
„In der Küche", antwortete Pete prompt. „Sie meinen doch Mary — unsere Negerköchin?"
Watson grinste böse und nahm unaufgefordert Platz. Er starrte Pete durchbohrend an.
„Nehmen Sie doch Platz, Mister Watson", sagte Dorothy liebenswürdig, obwohl der Sheriffsgehilfe bereits saß. „Machen Sie es sich nur gemütlich. Schöner Morgen, heute morgen. Mögen Sie ein Gläschen Milch?"
Watson schüttelte sich. Der Gedanke, Milch zu trinken, besaß für ihn etwas Grausiges. Das Mädchen hätte ihm ebenso gut ein Gläschen Tinte anbieten können.
„Wir wollen keine langen Umstände machen —", begann er.
„Ja, fassen Sie sich kurz - recht kurz", sagte Pete sofort.
„Gestern abend ist ein junges Mädchen ihrem Oheim, Mister Applewood, durchgebrannt", sagte Watson grimmig. „Dieses Mädchen ist — äh — schwer nervenkrank."
„Die Ärmste!" sagte Dorothy voller Mitgefühl.
Watson lächelte, wie jemand lächelt, der alles — alles — weiß und nicht gewillt ist, sich hinter das Licht führen zu lassen. Er deutete mit spitzem Finger auf die Kaffeetassen.
„Eins . . . zwei . . . drei Tassen", sagte er. „Aber nur zwei Personen beim Frühstück! Wo ist Nora Paddington?"
„Ich trinke immer aus zwei Tassen", erklärte Pete zuvorkommend. „Eine für die linke — und eine für die rechte Hand. Das tue ich der Zeitersparnis wegen."
„Wo-ist--Nora?!" brüllte Watson.
„Wo ist Nora?" schrien auch Pete und Dorothy im Chor. Sie sprangen auf, das Mädchen suchte unter dem Tisch, und Pete öffnete die Schränke. Watson sah dem merkwürdigen Treiben mit mühsam beherrschtem Grimm zu. „Hier ist sie nicht!" stellte Pete fest und schloß die Schranktür. Er nahm eine Hutschachtel vom Schrank, öffnete den Deckel und blickte hinein. „Auch in der Hutschachtel ist sie nicht..."
„Ihr seid albern", erklärte Watson. „Und ihr seid dumm, wenn ihr nicht die Wahrheit eingesteht. Das Mädchen hat sich zu euch geflüchtet; die Detektive haben die Spur verfolgt. Leugnen hat also gar keinen Sinn. Ihr wißt doch, daß ihr euch strafbar macht, wenn ihr das Mädel, das noch nicht volljährig ist, gegen den Willen ihres Vormundes versteckt haltet? Zudem ist Nora Paddington sehr krank. Sie ist geistig nicht normal. Wenn sie sich etwas antut, dann tragt ihr die Verantwortung."
„Hat Mister Applewood Anzeige erstattet?" erkundigte sich Pete.
„Nein. Mister Applewood ist ein gutmütiger Mensch", zuckte Watson die Achseln. „Er will euch diesen dummen Streich verzeihen. Wenn es nicht so wäre, würde ich ganz anders mit euch umspringen!"
Pete saß wie auf
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