Das Pete Buch 05 - Wer schleicht denn da herum
beobachten.
„Was Jimmy sagt, ist immer wahr!" versuchte John Watson den Konservenkönig zu überzeugen, der anscheinend an der Erzählung des langen Schlakses über Johnnys Befreiung zweifelte. „Über Jimmys Lippen ist noch nie eine Lüge gekommen, so lange er lebt!"
„Wenn ich für jede Lüge, die diesem Kojoten über seine dreckigen Lippen kam, nur einen Dollar bekäme, wäre ich reicher als Mr. Dudley!" zischte Sam empört.
„Halt' die Klappe!" mahnte Pete besorgt. „Wenn sie uns hören, müssen wir türmen, und Mr. Watson schießt bedenkenlos seinen Colt hinter uns leer! Er ist zwar ein miserabler Schütze, aber manchmal hat schon mal einer durch Zufall getroffen."
„Wie sahen die Männer denn aus, die Johnny entführten?" wollte Mr. Dudley wissen. „Ich gebe eine genaue Beschreibung an die Zeitungen und setze zehntausend Dollar Belohnung für denjenigen aus, der Johnny zurückbringt! Mr. Blechside, der berühmte Detektiv, ist übrigens bereits auf dem Wege nach hier!"
„Wenn nur meinem Süßen kein Haar gekrümmt worden ist!" stöhnte Mrs. Dudley in heller Verzweiflung.
In diesem Augenblick erscholl aus dem Hause ein so entsetzter Schrei, daß sich jedem Hörer die Haare von ganz allein sträuben mußten. Die vier unterbrachen ihr Gespräch und starrten verdattert die offene Haustür an. Dem ersten Schrei waren inzwischen viele gefolgt, die in kurzen Unterbrechungen von einer weiblichen Stimme ausgestoßen wurden.
Dann schoß eins der Dudleyschen Stubenmädchen zur Haustür heraus, als sei der leibhaftige Satan hinter ihr her. „Was ist denn nun wieder los?" fragte der Konservenkönig nervös.
„Ein Geist!" kreischte das Mädchen. „In Mrs. Dudleys Schlafzimmer! Mit rotem Kopf und ganz dumpfer Stimme und — oh!" Sie hielt inne, starrte nach der Haustür und wies mit ausgestrecktem Zeigefinger auf das, was sich in diesem Augenblick dort zeigte.
Eine kleine Gestalt tastete sich mit weit nach vorn gestreckten Armen zur Tür hinaus. Eine dunkelrote, goldbestickte Tischdecke hing ihr über dem Kopf bis auf den Erdboden herunter. Unter der Decke knurrte, brummte und jaulte es, als zankte sich eine ganze Meute wütender Hunde um einen alten Knochen.
„Ein schreckliches Gespenst!" stammelte das Mädchen völlig aufgelöst.
Mr. Dudley tat drei Schritte auf den Geist zu und zog ihm beherzt die Tischdecke vom Kopf. „Johnny!" kam es halb verwundert, halb ärgerlich von seinen Lippen.
„Süßer!" rief Mrs. Dudley und schloß den verlorenen Sohn beseeligt in die Arme. Sie drückte ihm beinahe die Luft ab.
Aber Johnny machte sich strampelnd frei. Als er endlich wieder atmen konnte, stemmte er die Arme in die Seiten und erklärte kategorisch: „Ich bin kein ,Süßer' mehr! Ich weiß nicht, warum ihr eigentlich ein solches Getue macht! Wann gibt's denn endlich Abendessen? Ich habe kannibalischen Hunger!"
„Wo stecktest du denn, Süßester?" fragte Mrs. Dudley noch immer aufgeregt.
„Johnny!" verbesserte der Kleine sehr energisch. „Wo ich steckte? Wo kann ich schon groß gesteckt haben? Ich habe ein wenig geschlafen! Mehr nicht! Das ist doch nicht etwa verboten — oder?"
„Wir suchten angstvoll und besorgt alles nach dir ab, Sü . . . entschuldige, Johnnylein!"
„Auch dein Schlafzimmer, Mam?" fragte das Kerlchen triumphierend. Er fühlte, daß er Herr der Situation war, und beschloß, sie bis zum letzten auszukosten.
„Mein Schlafzimmer?" wunderte sich die Konservenkönigin. „Aber ich schaute doch hinein, als wir nach dir suchten, Sü . . . Johnny! Du warst bestimmt nicht darin!"
„Sahst du auch in die große Truhe?" Johnny tanzte beinahe vor heimlichem Vergnügen.
„Warum hätte ich denn in die Truhe sehen sollen, Liebling?"
„Nichts da, Liebling! Mammy Linda nannte mich —" Er erinnerte sich rechtzeitig daran, daß er nicht verraten durfte, auf der Salem-Ranch gewesen zu sein. „Also sag' bitte von jetzt an immer nur noch Johnny — nicht wahr!" verlangte er resolut.
„Wer konnte denn daran denken, daß du in der Truhe stecken würdest, Sü ... Johnny?"
„Warum soll ich nicht mal in einer Truhe schlafen, wenn es mir Spaß macht?" fragte der Knirps gelassen. „Immer im Bett, das wird einem echten Mann ja auf die Dauer langweilig! Ihr betrachtet mich alle noch gar zu sehr als Baby! Ich muß doch nicht mehr alle Nasenlang trockengelegt werden! Die Zeit ist vorüber! Denkt bitte endlich daran, daß ich ein werdender Mann bin!"
Er schwieg, völlig mit sich zufrieden.
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