Das Pete Buch 14 - Pass auf Pete
Hosentasche einen Kaugummi. Während seine Kiefer fleißig zu mahlen begannen, dachte er: ,Will mich erst mal von der Sonne trocknen lassen.' Aber dann sah er plötzlich etwas ganz Tolles. Wo kam denn das her? Da krauchte doch tatsächlich ein kleiner Boy zwischen den Schienen herum. Ein klitzekleiner Negerboy! Sam schüttelte erstaunt seinen Rotschopf. ,Was es nicht alles gibt', dachte er, .möchte wissen, wie der Kleine nach Somerset kommt.'
Der Negerboy marschierte auf den Schwellen der Eisenbahnschienen heran. Den Kopf hatte er gesenkt, weil er stets darauf bedacht war, von Schwelle zu Schwelle zu treten. Dann war plötzlich die große Reise des kleinen Mannes zu Ende! Er war nämlich auf das Rangiergleis geraten und stand nun direkt vor Sams Prellbock. Erstaunt hob er den Kopf und sah Sommersprosse aus großen, mandelförmigen Braunaugen an. Sam mußte unwillkürlich lachen. Der kleine Junge hatte etwas so rührend Melancholisches im Blick, daß man ihn gleich liebhaben mußte. Wie schwarze Wolle krauste sich das Haar auf seinem Kopf, und die Fingernägel waren ganz weiß. Sam schätzte den Kleinen auf höchstens sechs Jahre. Der stand immer noch regungslos da und betrachtete voller Staunen die vielen Sommersprossen in Sams Gesicht.
„Na, kleiner Mann", sagte jetzt der Gerechte, „wo geht die Reise hin?"
„Ich nix weiß, ich nix weiß", kam es hilflos heraus, „Penny weißen nix."
„Penny? Heißt du so?"
„Ja, heißen Penny. Und du? Wie heißen weißes Master?"
„Ich bin doch kein Master", lachte Sam. „Ich heiße Sam Dodd. Die Leute nennen mich aber auch Sommersprosse oder Rothaar. Das sind Spitznamen."
„Oh, ich nix weiß, was das sein. Du hier wohnen?"
„Ja, ganz in der Nähe. Und wo wohnst du?" Sam fischte seinen letzten Kaugummi aus der Tasche und reichte ihn dem Kleinen. Der schob ihn gierig in den Mund.
„Penny böse Hunger", bemerkte er dazu.
„Hunger hast du? Geh doch zu deiner Mammy, die gibt dir was zu essen." Für Sam war es klar, daß in solchen Fällen Mammies zuständig waren. Bei Mammy Linda war es ja auch so.
„Ich nix Mammy", sagte jetzt der Negerboy traurig. „Ich nix wissen, wo. Ich immer allein. Ich nix wissen, wo."
„Das Rothaar rutschte vor Schreck von dem Prellbock hinunter. Er hockte sich vor den Kleinen hin, faßte ihn an den Armen und sah ihm in die treuherzigen Augen.
„Du weißt nicht, wo deine Mutter ist", sagte er erregt, „aber das geht doch gar nicht! So ein kleiner Boy muß doch eine Mutter haben! Wo kommst du denn her?"
„Penny nix wissen. War weite Weg. Soooo weit!" Der Kleine breitete die Arme aus und wollte damit andeuten, wie weit er gegangen war. Sam schluckte trocken. Das war ja ein Ding! Da kam ein Dreikäsehoch über die Bahnschienen daher und wußte nicht woher und wohin.
„Weißt du was, Penny", die Sommersprosse erhob sich, „du kommst jetzt mit mir auf die Salem-Ranch. Da haben wir eine wunderschöne Mammy für dich; sozusagen eine echte Ersatznegermammy! Wir werden dann schon herausbekommen, wo du hingehörst."
„Okay", lachte der Boy jetzt und zeigte seine weißen Zähne, „ich gehen mit Master Rotsproß. Master Rotsproß sein guuut!"
Sam mußte über seinen neuen Spitznamen lachen. auch über das „Master" des Kleinen, wie das drollig herauskam. Oh, wie würde sich Mammy Linda über den kleinen Burschen freuen! Und Hunger hatte er auch. Hungernde Menschen waren für Mammy Linda immer eine besondere Freude, weil sie nichts lieber tat, als den Hunger anderer zu stillen.
Sam nahm seinen neuen Freund an die Hand und marschierte los. Aber der Gerechte kam nicht weit. Schon an Mr. Bakers Bahnhofsgebäude lauerte das Unheil. Hier stand nämlich ein Mann mit Ziegenbart und gelbem
Rohrstock. Mr. Zeigefinger hatte die ganze Szene von Anfang an beobachtet. Jetzt donnerte er ein mächtiges „Halt!" in die Gegend. Sam versuchte zwar noch, die Kurve zu kratzen, aber es war schon zu spät. Der kleine Penny wurde von Mr. Zeigefinger erwischt, und darum blieb Sam auch stehen. Er dachte nicht daran, den Boy im Stich zu lassen.
„Wo kommt dieser Knabe her?" fragte der „Privatgelehrte" streng.
„Penny nix wissen", sagte der Kleine ängstlich.
„Es heißt nicht ,nix', es heißt ,nichts'!" und zur Bekräftigung hob Mr. Zeigefinger den Zeigefinger.
„Penny gar nichts nix wissen", stotterte der Boy abermals.
„Du willst mich wohl belügen, Bursche?" Mr. Zeigefinger sah wieder gleich rot. „Nun, ich werde dich lehren, wie man sich
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