Das Pete Buch 27 - Falsch gewettet
Gefahrenzulage — Ein junges Herz in einem alten Korpus —
Jimmy war wie ein Schwerverbrecher ins Office geschleppt worden. Sein Onkel hatte sich in den Amtsstuhl sinken lassen, weil ihm die Beine den Dienst versagten Der Neffe stand in kläglicher Haltung vor ihm; Mr. Dulles hatte ihn rechts am Arm gepackt, Mrs. Corner links, und Brent, der Joe Jemmery ganz vergessen hatte, hielt ihn von hinten mit eisernem Griff am Hemdkragen. Hinter dieser Gruppe aber wogte eine Schar von Neugierigen. Die morschen Dielen im Office knarrten gefährlich unter der Menschenlast.
„Wie, wie konntest du nur, Jimmy?" ächzte Onkel John. „Was hast du mir damit angetan! Du, mein behütetes Fleisch und Blut, du Stolz meiner Ahnen und Stütze meines Alters!"
Jimmy weinte bitterlich. Die Tränen kullerten ihm über Backen und Kinn bis zur Brust hinunter.
„Ich habe es doch nur gut gemeint, Onkel", schluchzte er. „Und ich war's ja auch nicht allein. Da lief noch so
einer rum, den ich nicht kannte. Vor Mr. Stanleys Haus rannte ich mit ihm zusammen. Wir bekamen beide einen tüchtigen Schreck und schrien auf; ich türmte nach links und er nach rechts. Das muß derselbe gewesen sein, der vorhin auf dem Dach saß."
„Nun verstell dich nicht", sagte Mr. Dulles mit wohlgefälliger Sanftmut. „Ihr wart zu dritt, ihr Unruhstifter. Zwei als Ausrufer— und einer als Geist. Wo ist denn der Joe geblieben, Brent?
„Ausgerissen, versetzte der Hufschmied ärgerlich. „Als dieser Baumaffe vom Dach herunter prasselte wie des Teufels Großmutter, ließ ich ihn los."
„Macht nichts", fuhr Mr. Dulles fort. „Wir fassen ihn morgen noch, und wer der Bergsteiger war, wird sich dann auch herausstellen. Hauptsache ist, daß wir diesen Lausebengel geschnappt haben. Was meinen Sie, Hilfssheriff? Sonst sagt man doch, daß es die Sonne an den Tag bringt. Diesmal war's aber die Nacht. Komisch, was?"
Old John winkte müde mit der Hand ab.
„Wenn Sie so frohgemut sind, Dulles — bitte schön! Werfen Sie Ihrer Heiterkeit keinen Lasso um den Hals. Mir ist jetzt alles wurst. Ich weiß einfach nicht mehr, was ich zu alledem sagen soll."
„Schweigen ist auch besser", meinte der unerbittliche Metzger mit einem teuflischen Grinsen. „Jedenfalls ist die Akte Jack Ripper nunmehr geschlossen. Wir können alle wieder ruhig schlafen, und Sie spazieren am 18. Mai, ein stolzes Lächeln auf den Lippen, unter dem Jauchzen ganz Amerikas durch die Luft über den Niagara. — Haben Sie Ihr Testament schon gemacht?"
Unter den Zuhörern erscholl ein höhnisches Gelächter, das sich bis auf die Straße fortpflanzte. Denn die Meinung, daß der Hilfssheriff selbst der Anstifter seines Neffen gewesen wäre, hatte sich mit Windeseile im Town herumgesprochen.
„Mein Testa . . . Testament?" murmelte Old John. „Ja, ja, natürlich. — Was sagten Sie eben, Dulles?"
Der unglückliche Mann war ganz geistesabwesend; er kam erst wieder zu sich, als ein paar Spaßvögel vor dem Hause Mr. Turners Lied anstimmten:
„Über den Niagara, Stolz in der Brust, siegesbewußt!
Stürze ich auch in den Fall hinein,
Wird der Ruhm mein doch sein."
Nun sprang der Hilfssheriff mit letzter Kraft auf.
„Das ist ja ein hinterhältiger Spott!" protestierte er. „Pfui Teufel! Schämt euch, Gents! Vor drei Tagen habe ich den Tiger erschlagen —"
„Wenn's man bloß wahr wäre!" rief Mr. Plumrose aus dem Hintergrund.
„Ja, es ist wahr! Hier liegt das Fell auf dem Boden; ich stehe eigenhändig darauf. Und daß man mich jetzt durch den Dreck zerrt und mit dem Bowiemesser meine Ehre abskalpiert, das ist eine wahre Schande. Aber ich werd's euch zeigen! Ich lasse mich über den Niagara tragen, jetzt erst recht! Und wenn ich runterkippe und in den Charakteren zum Automaten zertrümmert werde."
„Er meint Katarakte und Atome", flüsterte Mr. Stanly spöttisch.
„ . . . Dann dürft ihr euch alle ins eigene Gesicht spucken, daß — daß . . . —"
„Der Ruhm doch dein ist!" hohnlachte Mr. Settier. „So heißt's doch in dem schönen Lied, nicht wahr?"
Old John sank gebrochen auf den Stuhl zurück, und Jimmy begann erneut aufzuschluchzen:
„Onkel! Mein lieber Onkel! Ich wollte dich doch nur — ich sage dir alles, wenn wir allein sind. — Schmeiß doch die Leute raus! Du kannst mich ja ins Jail sperren. Aber laß dich nicht auslachen!"
Mr. Plumrose lachte trotzdem; es klang so meckernd, daß selbst ein prämiierter Ziegenbock von Neid erblaßt wäre. Denn der würdige Meister der
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