Das Pete Buch 39 - Wer soll da noch durchschauen
Turner seinem Schützling zu. „Hierbleiben! Große Gefahr! Skalp verlieren!"
Offenbar nahm er an, der Prinz würde besser Englisch verstehen, wenn man in einem Kauderwelsch zu ihm redete. Das war ein Fehlschluß. Er schrie etwas von Sauerkraut" und „Blutwurst", hieb sogar mit dem Szepter um sich und konnte erst nach schwerem Handgemenge von Turner in den Saal dirigiert werden.
„Ich glaube", sagte Joe Brent mit lahmer Stimme, „ich glaube, wenn dieses Theater noch zehn Minuten so weitergeht, dann halte ich mich für den weggejagten Kaiser von China und lasse mir einen Zopf wachsen. Strengt doch mal eure Köpfe an, Gents! Eben hieß es, wir würden überfallen, und die Gewehrsalven knatterten nur so. Jetzt sehen wir ein paar herausgeputzte Landstreicher, die Sesa-zuleika brüllen und —. Da marschieren sie wahrhaftig in Dulles Bude rein! Der Anführer hat seinen Gaul vor der Tür angebunden. Ein prächtiges Vieh nebenbei, braucht nur einen neuen Beschlag. Na, vielleicht kann ich auch ein kleines Geschäftchen dabei machen."
Inzwischen wußte der tapfere Dulles überhaupt nicht mehr, wo ihm der Kopf stand; er war so überrumpelt, daß er den Fremden trotz aller Angst um das Wohlergehen seines Kaspars freien Zutritt in seine Wohnung gewährte.
„Reiter werden!" röchelte der Gesuchte und flüchtete vor den weißen Gestalten in die dunkle Besenkammer. „Wie mein Vater war."
„Aber natürlich", beruhigte ihn der Araberscheich, der nur die Stimme hörte, das Gesicht und die Figur des Sprechers aber nicht erkennen konnte. „Eure Hoheit erhalten ein edles Reittier und werden auf den Thron der Väter gesetzt. Wir kommen aus dem fernen Timbuktu, um Sie heimzuholen. Hassan, Ali und Mustafa, erweist dem Sohne unseres erhabenen Sultans eure Ehrerbietung!"
Die drei Gefolgsleute warfen sich vor der Besenkammer auf den Boden und stimmten einen Gesang an, der selbst nach amerikanischen Begriffen keinerlei Melodie hatte, aber ungemein feierlich klang. Pete klappte aus Ehrfurcht gleichfalls zusammen wie ein Taschenmesser, Mrs. Dulles rief „Salem, alle reinkommen!", ihr Gatte jedoch faßte den Scheich am Arm und fragte ihn hastig:
„Was meinten Sie da eben? Timkubuku? Wo liegt denn das? Ich dachte, Seine Hoheit stammen aus Germany."
Das ist eine lange Geschichte", versetzte der Araber, „die ich Ihnen bei Gelegenheit noch auseinandersetzen werde. Für jetzt nur so viel: Timbuktu ist ein mächtiger Staat in Nordafrika; seinem Sultan wurde vor sechzehn Jahren sein einziger, über alles geliebter Sohn unter dem Namen Kaspar Hauser nach Deutschland entführt, und als wir endlich, endlich dort auf seine Spur stießen, mußten wir zu unserem Schrecken entdecken, daß der Prinz kurz vorher nach Amerika entkommen war. Wir folgten ihm natürlich sofort und sind überglücklich, ihn jetzt gefunden zu haben."
„Von Germany nach Amerika? Richtig, richtig!" rief Dulles begeistert. „Darum hat er sich auch die kaiserlichen Sultansfüße so wundgelaufen. Ich habe mich aber sofort seiner angenommen und auch die größten Auslagen nicht gescheut. Wem kann ich wohl die Rechnung dafür präsentieren? Ihnen, Sir?"
„Wollen Sie mich bitte", sagte der Scheich freundlich, „mit .Effendi' anreden. Ich bin nämlich der Großwesir von Timbuktu. Allerdings halte ich mich inkognito in den Staaten auf; sonst hätte mir Ihr Präsident eine Ehrenwache mitgegeben, und das wäre nur unnötig aufgefallen."
„Aber so kommen Sie doch aus der Kammer hervor, mein Prinz! Es geschieht Euch nichts. Hol eine Lampe, Susie! Elektrisches Licht haben wir leider in Somerset noch nicht, Mr. Groß-Effendi."
„Wir in Timbuktu auch nicht", gab der Großwesir ehrlich zu. „Ich danke Ihnen, Mrs. Dulles. — Ah, Sie staunen, daß ich Ihren Namen kenne? Nun, Ihr Gatte ist auch in meiner Heimat wohlbekannt, wie die Stadt Somerset überhaupt einen Weltruf genießt. So, da haben wir Licht, und — Himmeldonnerwetter!"
Während der hohe Gast aus dem Morgenland diesen ganz unfeierlichen, abendländischen Ruf von sich gab, prallte er einen Schritt zurück und faßte sich entsetzt an die Stirn. Der Schein der Petroleumlampe fiel nämlich nun voll auf das verzerrte Gesicht in der Besenkammer; und dieses Gesicht entsprach den Vorstellungen des Arabers in gar keiner Weise.
„Das ist er ja gar nicht!" rief er. „Wo ist die Krone? Will man mir hier einen Landstreicher andrehen?"
Pete drückte sich schnell zur Haustür hinaus; Dulles aber, der jäh aus allen Wolken
Weitere Kostenlose Bücher