Das Peter-Prinzip
ertragen. Wahrscheinlich erinnert ihn jedes Stück
Papier an die Arbeit, die zu erledigen er außerstande ist. Kein Wunder, dass er ihren Anblick hasst!
Er macht natürlich aus seiner Abneigung eine Tugend und
hofft dadurch, dass er, wie er es nennt, «den Schreibtisch immer
aufgeräumt» hat, den Eindruck zu erwecken, dass er all seine Aufgaben unglaublich prompt erledigt.
Papyromanie
Papyromanie, das genaue Gegenteil der Papyrophobie,
zwingt den Angestellten, seinen Schreibtisch mit Bergen völlig
überflüssiger Papiere und Bücher zu bedecken. Bewusst oder
un‐bewusst versucht er so, seine Unfähigkeit dadurch zu verbergen, dass er den Eindruck erweckt, er habe zu viel zu tun —
mehr, als jedes menschliche Wesen bewältigen könnte.
Ordnungswahn
Hier liegt die Manie vor, die Papiere genauestens zu ordnen
und zu sortieren. Gewöhnlich ist dies mit einer tödlichen Angst
verbunden, irgendwelche Dokumente zu verlieren. Indem der
Ordnungsfanatiker erledigte Vorgänge immer von neuem
118
sichtet und ordnet, hindert er andere Leute (und sich selbst) an
der Erkenntnis, dass er wenig oder nichts zur Erledigung der laufenden Geschäfte beiträgt. Seine Beschäftigung mit alten
Akten fixiert seinen Blick auf die Vergangenheit, sodass er widerstrebend und rückwärts in die Zukunft geht.
Tabula-Gigantismus
Das zwanghafte Bemühen, stets einen größeren Schreibtisch
als die Kollegen zu haben.
Tabulaphobia privata
Völlige Verbannung aller Schreibtische aus dem Büro. Dieses
Symptom ist nur in den allerhöchsten Rängen einer Hierarchie
zu beobachten.
Psychologische Merkmale
Während meiner Forschungsarbeit verbrachte ich viel Zeit in
Vorzimmern und interviewte Kunden und Arbeitskollegen, die
aus den Zimmern von Vorgesetzten kamen. Auf diese Art ent‐
deckte ich verschiedene interessante psychologische Merkmale
der Endplatzierung.
Selbstmitleid
Viele dieser Besprechungen bei Spitzenmanagern bestanden
vor allem darin, dass der Chef Mitleid erregende Geschichten über die Umstände erzählte, unter denen er gegenwärtig arbeiten müsse.
«Niemand zollt mir wirklich Anerkennung.»
«Niemand arbeitet sinnvoll mit mir zusammen.»
«Niemand versteht, dass der ständige Druck von oben und
die hoffnungslose Unfähigkeit unten es mir unmöglich machen,
meinen Aufgaben angemessen nachzukommen und mit der
Arbeit auf dem Laufenden zu bleiben.»
119
Dieses Selbstmitleid ist oft mit wehmütigen Erinnerungen an
die «gute alte Zeit» verbunden, als der Klagende noch einen geringeren Rang innehatte und auf einer Stufe seiner Fähigkeit
arbeitete.
Diesen Gefühlskomplex — sentimentales Selbstmitleid, Ver‐
unglimpfung der Gegenwart und irrationales Lob der Vergan‐
genheit — nenne ich den Gute‐alte‐Zeit‐Komplex.
Ein interessanter Zug dieses Komplexes ist, dass der typische
Patient niemals und unter keinen Umständen andeutet, dass ein
anderer seinen Platz besser ausfüllen würde, obgleich er doch behauptet, dass seine gegenwärtige Position ein Martyrium sei.
Rigor cartis
Bei Angestellten auf der Stufe der Unfähigkeit habe ich häu‐
fig die Rigor cartis beobachtet, ein abnormes Interesse am Ent‐
wurf von Organisations‐ und Ablaufplänen. Hinzu kommt ein
engstirniges Bestreben, jeden kleinsten Geschäftsvorgang ohne Rücksicht auf Verzögerungen in strikter Übereinstimmung mit
den Linien und Pfeilen auf einer solchen Karte abzuwickeln.
Der Rigor‐cartis‐Patient hängt seine Karten meist an bevor‐
zugter Stelle an die Wände seines Büros, und man kann ihn oft
dabei beobachten, wie er unter Vernachlässigung seiner Arbeit
in wortloser Anbetung vor seiner Graphik steht.
Der Änderungszwang
Manche Angestellte, die ihre Endplatzierung erreicht haben,
versuchen ihre Unsicherheit dadurch zu verbergen, dass sie
ihre Untergebenen ständig aus dem Gleichgewicht bringen.
Ein leitender Angestellter dieses Typs erhält einen schriftlichen Bericht, schiebt ihn beiseite und sagt: «Ich habe nicht die Zeit, mich durch diesen Wust hindurchzuarbeiten. Sagen Sie es
mir bitte mündlich — und möglichst kurz.»
Wenn der Untergebene dagegen einen mündlichen Vorschlag
macht, unterbricht ihn so ein Typ mitten im Satz: «Ich kann 120
mich erst damit befassen, wenn Sie es schriftlich niedergelegt haben.»
Einem Untergebenen, der Vertrauen zu ihm hat, setzt solch
ein Vorgesetzter durch einen Anschnauzer einen Dämpfer auf;
einen schüchternen macht er
Weitere Kostenlose Bücher