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Das Phantom auf dem Feuerstuhl

Das Phantom auf dem Feuerstuhl

Titel: Das Phantom auf dem Feuerstuhl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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schrie Ströter. „Ruhe,
verdammter Köter! Sonst kriegst du eine!“

    Verdutzt sahen die Kinder sich an.
    Ströter hatte auf einmal ein krebsrotes
Gesicht. Seine tiefliegenden Augen schienen zu funkeln. Sein Wutausbruch kam so
plötzlich und grundlos, daß es jeden verblüffte.
    Oskar kniff den Schwanz ein, zog sich
hinter Gabys Beine zurück und knurrte.
    „Sie brauchen sich nicht aufzuregen“,
sagte Tarzan. „Sie haben Oskar erschreckt. Deshalb bellt er. Er ist ein braver
Hund und tut keinem was.“
    „Ich kann Hunde nicht leiden“, sagte
Ströter. Seine Gesichtsfarbe normalisierte sich. „Kommt mal mit! Meine
Werkstatt interessiert euch bestimmt.“
    Tarzan und Gaby tauschten einen Blick.
Gabys Augen blitzten. Sie war geladen. Aber Tarzan winkte begütigend ab.
    Die Werkstatt lag zum Hof, ein
langgestreckter Raum, in dem es angenehm nach Holz roch. Instrumente, die ein
Holzschnitzer braucht, lagen herum oder hingen an den Wänden. Aber das war nur
Nebensache. Was anderes machte Eindruck — um nicht zu sagen, jagte Schauder
über den Rücken.
    Auch Holzmasken hingen an den Wänden.
Und auf einem Regal standen Statuetten — einige waren mindestens 80 Zentimeter
hoch. Aber wie sahen die aus!
    Die Masken zeigten verzerrte, kranke
Gesichter — die Statuetten verkrüppelte Gestalten: Krumme, Bucklige, Einbeinige,
Kranke. Es war ein Panoptikum (Figurensammlung) der Häßlichkeit.
    Sprachlos starrten die Kinder diese
Merkwürdigkeiten an.
    Ströter kicherte. „Habt ihr noch nicht
gesehen, sowas, wie? Bin ein Künstler besonderer Art. Mache nichts, was andere
machen. Das kann jeder. Diese langweiligen Themen. Randfiguren der Menschheit —
das interessiert mich. Ist nur schwer zu verkaufen.“
    „Das glaube ich“, meinte Karl trocken. „Es
ist zwar sehr gekonnt in der Ausführung. Aber wer damit seine Wohnung schmückt,
muß schon einen besonderen Geschmack haben.“
    „So, wie denn?“
     „Na, schöne Figuren gefallen mir
besser.“
    „Was ist denn schön, mein Junge?“
    „Ich weiß“, erwiderte Karl, „worauf Sie
hinauswollen. Vieles läßt sich nicht klar abgrenzen und ist immer
Geschmacksache, aber...“
    „Siehst du! Geschmacksache! Und ich
habe eben einen besonderen Geschmack! Ich bin auch ein besonderer Mensch. Als
Künstler...“
    Weiter kam er nicht.
    Klirrend zerbrach Glas. Das Geräusch
kam aus dem Wohnraum.
    Oskar! schoß es Tarzan durch den Kopf.
Aber dann sah er: Der Cocker war neben Gaby. Sie hatte ihn fest an der Leine.
    Ströter fuhr herum. Wie ein Irrer jagte
er jetzt an den Kindern vorbei.
    Sie folgten ihm in den Wohnraum und
sahen die Bescherung.
    Eine Fensterscheibe war zerbrochen. Auf
dem Teppich lag ein faustgroßer Stein. Splitter übersäten die Fensterbank.
    Ströter heulte auf wie ein Wolf, der in
mondheller Nacht nach seinem Rudel ruft. Mit zwei Schritten war er am Fenster.
    Tarzan sah gerade noch, wie zwei Jungs
mit einem Buschmesser die am Zaun wachsenden Sonnenblumen köpften.
    Zack, zack, zack — und noch einmal.
Übrig blieben vier hüfthohe Stümpfe.
    Dann rannten die beiden um die Ecke und
waren verschwunden.
    Ströter riß das zerbrochene Fenster
auf.
    „Lumpenpack!“ schrie er. „Narren,
Strolche, Gesindel! Verbrecher! Euch bringe ich noch um! Euch mache ich fertig!
Das werdet ihr büßen.“
    Keuchend lehnte er sich neben dem
Fenster an die Wand. Sein Gesicht war aschfahl. Schweiß glitzerte auf der viel
zu großen Stirn.
    Betreten standen die vier Freunde da
und wußten nicht, was sie sagen sollten.
    „Haben Sie die Rüpel erkannt?“ fragte
Tarzan schließlich.
    „Was? Erkannt? Wen? Die sehen alle
gleich aus, die Verbrecher. Jeder hier im Dorf ist gegen mich. Das ist die
fünfte Scheibe seit... seit Ostern. Nachts bimmeln sie am Glockenzug. Voriges
Jahr haben sie mir hinten im Garten alle Erdbeeren gestohlen. Und alle
Johannisbeeren, alle Stachelbeeren, alle Birnen — nein, Birnen habe ich nicht.
Aber auch die Äpfel. Verbrecher sind das.“
    „Gehen Sie doch zur Polizei.“
    „Die ist auch gegen mich.“
    „Das glaube ich nicht, Herr Ströter. Es
sind nur irgendwelche dummen Kinder, die sich solche Streiche erlauben. Die
müßten mal eins draufkriegen.“
    „Ja!“ nickte der Schnitzer. „Die! Und
die Eltern! Die sind genauso schlimm. Die stiften sie an. Die wollen, daß ich
fortgehe von hier. Aber... hahahah! Ich gehe nicht. Ich bleibe. Wir werden noch
sehen, wer zum Schluß lacht.“
    „Schade um die schönen Sonnenblumen!“
murmelte

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