Das Phantom auf dem Feuerstuhl
Schreck
den Mund auf und trat sofort in die Pedale.
Vergebens. Ein Vorsprung von wenigen
Metern schrumpft zum Nichts zusammen, wenn der Verfolger die 100-m-Strecke in
11,6 Sekunden laufen kann. Wie Tarzan.
Er erwischte den Jungen im Sprung und
riß ihn vom Rad.
Es war ein kräftiger Bursche,
mindestens 14, wenn nicht 15, mit niedriger Stirn und aufgeworfenen Lippen.
Er fiel wie ein Mehlsack zu Boden,
prallte hart auf die Schulter und brüllte auf.
Tarzan hörte ein Klirren hinter sich
und fuhr herum.
Eben wollte der zweite an ihm vorbei,
war schon voll im Tritt.
Tarzan packte ihn am Arm, riß auch ihn
vom Rad. Der Junge fiel aber nicht zu Boden, sondern wurde in die Büsche
geschleudert.
Heulend vor Wut sprang der Größere auf.
Offenbar neigte er zum Jähzorn. Sein Gesicht lief rot an. Brüllend trat und
schlug er um sich, obwohl Tarzan gar nicht in Reichweite war.
Das dauerte ein paar Sekunden. Dann
ging dem Jungen die Puste aus. Ehe er sich versah, wurde er von Tarzan, dem
austrainierten Judosportler, gepackt. Mit einem Hüftwurf schmetterte er ihn ins
Gras. Dann riß er ihn hoch. Und jetzt prasselte ein Ohrfeigenorkan auf den Burschen
ein, daß man das Klatschen bis zum anderen Ufer hören konnte.
Der Junge wurde durchgeschüttelt,
brüllte: „Aufhören! Ich mach’ ja nichts!“ Dann sackte er zusammen, fiel auf die
Seite und wimmerte.
Sein Gesicht glühte. Im Mundwinkel
blutete er. Nicht mehr lange, und seine Backen würden ballonartig anschwellen.
Mühsam hatte sich der andere aus den
Büschen befreit. Als er sah, was von seinem Kumpan übriggeblieben war, wurde er
bleich vor Angst.
Drohend trat Tarzan auf ihn zu.
„Nein!“ kreischte der Picklige. „Rühr’
mich nicht an. Ich sage es sonst Iwan. Der haut dich zu Klump.“
„So? Meinst du? Aber erst haue ich dich
zu Klump.“
Der Junge wich zurück. Er schlotterte.
Seine Knie waren so weich, daß er stolperte. Mit einem Plumps setzte er sich
auf den Hosenboden.
„Nein! Tu mir nichts! Ich... Wir haben
euer Zelt nicht... Das war Iwan.“
„Du willst sagen: Dieser Dieter Betz
hat unser Zelt zerrissen?“
Der Junge nickte. Dann biß er sich auf
die Lippen, obwohl er gar nichts gesagt hatte. Ängstlich schielte er zu Tarzan
hinauf.
„Mit euch bin ich noch nicht fertig“,
sagte der. „Jetzt geht’s erst los.“
Ohne die beiden aus den Augen zu
lassen, suchte er seine Unterhose hervor. Dann schlüpfte er in Jeans und
Schuhe.
„Ihr rührt euch nicht von der Stelle“,
sagte er. „Oder ich dresche euch windelweich.“
An beiden Rädern hing ein Kabelschloß,
wie er sah. Vorsichtshalber kettete er sie zusammen und stellte die Kombination
auf 7-7-7 ein, natürlich so, daß es die beiden nicht sehen konnten.
Mit den Kleidern seiner Freunde lief er
zum Ufer.
Gaby, Karl und Klößchen waren dicht
herangeschwommen. Natürlich hatten sie alles miterlebt, trauten sich aber nackt
nicht an Land.
Tarzan legte die Klamotten der Jungs
ins Gras. Das, was Gaby gehörte, trug er hinter einen dichten Busch. An dieser Stelle
konnte Gaby ans Ufer klettern, ohne daß sie von irgendwem gesehen wurde.
„Hast du toll gemacht“, rief sie ihm
zu. „So eine Gemeinheit muß bestraft werden.“
Tarzan grinste. Für einen Moment
stellte er sich vor, wie das wohl ausgesehen hätte, wenn sie zu viert auf ihren
Rädern heimwärts geradelt wären — ohne einen Fetzen auf dem Leib.
Er ging zu den Jungs zurück. Sie hatten
sich nicht gerührt. Der Größere hielt sein Gesicht mit beiden Händen.
Sicherlich fühlte es sich an wie 40 Grad Fieber.
Tarzan zog sein Hemd an.
„Wie heißt du?“ fragte er den
Pickligen.
Er hieß Heinz Horbach, der andere
Günter Pleikert. Sie wohnten in Klettenborn, gingen dort in die Dorfschule.
Horbach war der Sohn des Schreinermeisters, Pleikerts Vater gehörte die einzige
Tankstelle des Dorfes.
„Ihr wart vorhin bei Ströter“, sagte
Tarzan. „Ich erkenne euch. Warum schikaniert ihr den Mann? Hat er euch was
getan?“
„Er ist ein blöder Hund“, sagte
Horbach.
„Na, und? Wenn’s danach ginge, müßten
Typen wie ihr jeden Tag Kloppe kriegen.“
Die beiden antworteten nicht.
„Wir fahren jetzt zusammen zum Dorf
zurück“, sagte Tarzan. „Zuerst zu Metzger Betz, zu dem Vater von eurem Iwan.
Dort werdet ihr laut und deutlich erklären, daß Dieter Betz unser Zelt zerstört
hat. Sein Vater wird es ersetzen. Anschließend entschuldigt ihr euch bei
Ströter. Auch für seinen Schaden werdet ihr aufkommen,
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