Das Phantom auf dem Feuerstuhl
dort. Sie mochte zehn Jahre alt sein, wie Tarzan schätzte, als sie sich
näherte. Sie hatte dicke Zöpfe und ein freundliches rundes Gesicht. Am Arm trug
sie einen Korb. Offenbar wollte sie zum Einkaufen nach Klettenborn.
Als sie bei den Kindern vorbeikam,
blieb sie neugierig stehen.
„Willst du ein Stück Wurst?“ fragte
Tarzan. „Wir haben genug.“
Sie freute sich. Zutraulich trat sie
näher und setzte sich zu ihnen. Essen wollte sie nichts. Aber sie fragte, ob
sie Oskar streicheln dürfe. Der ließ sich das gern gefallen.
Die Kleine hieß Anneliese Weindl. Ihrem
Vater, dem Landwirt Weindl, gehöre das Gehöft, erzählte sie. Sie habe noch
sechs Geschwister, die aber alle älter seien. Einen Hund habe sie nicht, obwohl
sie sich einen wünsche. Eine Hundehütte sei vorhanden, aber ihr Vater könne
Hunde nicht leiden.
„Wenn Oskar mal Vater wird, schenke ich
dir einen der Welpen“, versprach Gaby. „Vorausgesetzt, daß er’s gut bei dir hat.“
„Aber bestimmt!“ rief Anneliese
begeistert. „Ich habe schon viele Bücher über Hunde gelesen. Ich weiß genau,
was sie brauchen und wie sie leben müssen.“
Wenig später brachen die vier auf. Es
war höchste Zeit.
7. Brandstiftung beim Weindl-Hof?
Am nächsten Morgen, etwa zehn Minuten
vor Beginn des Unterrichts, standen Tarzan, Karl und Klößchen im Flur vor der
Klasse. Sie warteten auf Gaby, die heute den Schulbus verpaßt hatte und
vermutlich mit dem Rad kommen würde. Da war sie auch schon.
Mit frischem Gesicht stürmte sie heran.
Sie hatte ihre weißen Jeans an und die rote Jacke, in der sie so toll aussah,
daß Tarzan schon vom Anblick Herzklopfen kriegte. Natürlich zeigte er seine
Begeisterung nicht/sondern blieb äußerlich kühl wie Oskars Hundenase — nach dem
Motto: Es ist besser, wenn ein Mädchen nicht merkt, wie toll man es findet.
Sicherlich — daß Gaby eingebildet
wurde, diese Gefahr bestand nicht. Aber Tarzan wußte genau, wie sie ihn mit
einem einzigen Blick ihrer langbewimperten Veilchenaugen aus der Fassung
bringen und verlegen machen konnte. Dieser Koketterie (Tändelei) war er
noch nicht gewachsen. Deshalb vermied er es, Komplimente zu machen. Daß er
versehentlich eins anbrachte, kam ohnehin vor.
Aber das hätte Gaby jetzt gar nicht
bemerkt. Ihre Augen blitzten. Sie war randvoll mit Neuigkeit.
„Wißt ihr das Neueste? Ach so, Morgen
zusammen! Heute nacht hat’s einen großen Brand gegeben.“
Klößchen nickte. „Ich hatte auch einen
schrecklichen Durst“, flachste er. „Wahrscheinlich war die Salami...“
„Esel! Ich meine nicht Durst, sondern
Brand. Brandstiftung! Großfeuer!!“
„Und wo?“ fragte Tarzan ahnungsvoll,
denn Gaby wollte natürlich auf was Bestimmtes hinaus.
„Wir waren gestern in der Nähe. Auf dem
Weindl-Hof hat’s gebrannt. Die Feuerwehr konnte löschen, ehe die Flammen auf
das Wohnhaus Übergriffen. Aber eine Scheune ist niedergebrannt. Und Stallungen.
Und Schuppen. Zum Glück konnten alle Tiere gerettet werden. Ihr wißt ja, daß
mein Papi auch als Brandfahnder ausgebildet ist. Gleich heute nacht — so um
zwei — fuhr er mit den Kollegen von der Kripo ‘raus. Es waren nämlich Anzeichen
vorhanden, daß es Brandstiftung ist. Bis jetzt steht bereits fest: Nicht aus
Böswilligkeit. Mehr aus Versehen. Der Knecht ist betrunken nach Hause gekommen,
noch in die Scheune gegangen und hat — vermutlich — seinen brennenden
Zigarettenrest weggeworfen. Das bißchen Glut reicht natürlich, um das Heu
gleich in Flammen zu setzen. Stark, was? Das steht zwar alles noch nicht fest.
Aber der Knecht hat schon mal — vor Jahren — so einen Mist verzapft. Damals
wurde es gerade noch bemerkt; und das Feuer konnte gelöscht werden, bevor es
sich ausbreitete. Der Knecht, sagt mein Papi, kann sich an nichts erinnern. Der
ist jetzt noch nicht nüchtern. Hat im Dorfkrug in Klettenborn 20 Schnäpse
getrunken und ist dann nach Hause gewankt. Ein. Wunder, daß der den Weg noch
gefunden hat. Mir tut es vor allem für die kleine Anneliese leid. Wenn ihr
Vater jetzt solchen Ärger hat, erlaubt er ihr bestimmt keinen Hund.“
„Brandfahndung“, meinte Tarzan, „muß
ein interessantes Gebiet sein. Darüber würde ich mich mit deinem Vater gern
unterhalten.“
„Tu’s doch. Wegen des Nachteinsatzes
hat er heute nachmittag frei. Wenn du gleich nach dem Essen kommst...“
Es war ohnehin verabredet, daß die
Freunde sich bei Gaby trafen. Was sie heute vor hatten, mußte sorgfältig
geplant werden. Sie
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