Das Phantom auf dem Feuerstuhl
rechte
Schulter getupft.
Lachend drehte er sich nach links um.
Aber Gaby war noch schlauer gewesen. Sie stand rechts hinter ihm, nicht links.
„Um die Ecke gedacht“, lachte sie.
„Mädchen haben eben doch mehr Tricks
auf Lager.“
„Nur für den Notfall. Wo ist Klößchen?“
„Krank. Er hat die Sch... äh...
Magenbeschwerden. Ist todkrank, wie er sagt. Ich glaube, ihn rettet nur noch
eine Kiste Schokolade.“
„Der arme Kerl. Wollen wir trotzdem zu
der Waldschneise?“
„Ich will. Und du?“
„Wäre ich sonst hier?“
Sie trug blaue, sehr enge Cordjeans und
einen blauweißen Pullover, den sie selbst gestrickt hatte. Er sah hervorragend
aus, obwohl der linke Ärmel angeblich einen Zentimeter kürzer war als der
rechte. Das Haar hatte sie wieder zum Pferdeschwanz gebunden, aber jetzt mit
einer weißen Kordel.
Während sie nebeneinander durch stille
Straßen fuhren, erzählte Tarzan von seinem Gespräch mit Herfurth.
„Jetzt fällt mir wirklich ein Stein vom
Herzen“, rief Gaby. „So fügt sich alles zum Guten. Ich glaube, mit der Schuld auf seinem Gewissen hätte Herfurth nicht leben können. Und Claudia wird
ihn begreifen. Denn er wollte ja den bestrafen, der ihr das angetan hat.“
Sie ließen die letzten Häuser der Stadt
hinter sich. Gleich wurde die Luft besser.
Dämmerung senkte sich herab. Sie
verließen die Straße, folgten einem Feldweg, wurden begleitet vom Abendlied der
Singvögel und konnten einen Fuchs beobachten, der am Waldrand entlangschnürte.
Jetzt dunkelte es rasch. Hoffentlich,
dachte Tarzan, kommen wir nicht zu spät.
Als sie die Steinerne Rinne erreichten,
war das Licht über den Feldern blaustichig und trüb. Dennoch konnte man weit
sehen. Aber unter den Bäumen, wo die Schatten wie Tinte waren, reichte die
Sicht nur ein Stück über die Nasenspitze hinaus.
Sie fuhren den Weg entlang. Ohne Licht.
Der Wald war voller Geräusche. Im Dickicht knackten Äste. Mit klatschendem
Flügelschlag strich ein großer Rabe über den Weg. Unter den Reifen knirschte
der Sand. Die Kette von Gabys Rad saß etwas locker und klirrte.
Bevor sie die Schneise erreichten,
stiegen sie ab.
„Ob er schon da ist?“ fragte Gaby.
„Glaube ich nicht. Seine Zeit ist etwas
später.“
Daß der Verdächtige Lincke hieß, hatte
er Gaby erzählt.
Sie schoben ihre Räder nicht bis zur
Schneise. Denn wenn der Zufall es wollte, stolperte das Phantom über sie.
Tarzan bog die Zweige zweier Tännchen
auseinander und klemmte die Räder dazwischen: ln der Dunkelheit ein ideales
Versteck.
„Hoffentlich finden wir sie nachher
wieder.“ Gaby lachte leise.
In der Finsternis unter den Tannen fand
man sich kaum zurecht.
„He, wo bist du?“ wisperte Gaby.
„Hier! Komm!“
Er streckte ihr die Hand hin. Gaby
legte ihre zarten Finger hinein und ließ sich vertrauensvoll führen.
Nur ganz vorsichtig griff Tarzan zu. Es
war das erste Mal, daß er so lange ihre Hand hielt. Wie schlank die war. Und
wie schmal. Nicht zu warm und nicht zu kühl fühlte sie sich an.
Hm! dachte er. Gut, daß uns niemand
sieht. Die würden gleich sonst was denken.
In der Schneise war es heller. Der
Abendhimmel reflektierte (spiegelte) das schwindende Licht.
Als sie vorsichtig durch die Büsche
tappten, raschelte etwas in der Nähe.
Zehn Schritt vor ihnen ertönte wütendes
Gebell. Laut schimpfend floh das Tier ins Dickicht.
Gaby hatte sich furchtbar erschrocken,
war hochgehüpft und gegen Tarzan geprallt.
„Um Gottes willen! Was war denn das für
ein Hund?“
„Kein Hund. Ein Rehbock! Wenn der
schimpft, klingt es tatsächlich wie heiseres Gebell.“
„Greifen die an?“ Gaby bewegte unruhig
die Finger.
„Im allgemeinen nicht.“
„Aber im besonderen schon?“
„Nur wenn man ihn ganz in die Enge
treibt. Dann ist allerdings nicht gut mit ihm Kirschen essen.“
Gabys Hand fühlte sich jetzt etwas
kühler an.
Sie schlichen weiter — zu der Stelle,
wo sie die Moto-Cross-Maschine entdeckt hatten.
Sie war noch da.
Bevor er sie erspähte, nahm Tarzan den
Geruch von Öl und Benzin wahr.
Sekundenlag blieben sie bei der
Maschine stehen.
„Und wie geht’s jetzt weiter?“ fragte
Gaby leise.
„Wir verstecken uns hinter dem Busch
dort.“
Tarzan deutete auf ein dorniges
Gebilde, das etwa zehn Meter entfernt war.
„Dort sieht uns keiner. Der Kerl
bemerkt uns nie. Wenn er seine Maschine holt, folgen wir ihm. Zunächst zu Fuß.
Dann mit Rädern. Weit fährt er bestimmt nicht. Außerdem muß er im
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