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Das Phantom der Freiheit

Das Phantom der Freiheit

Titel: Das Phantom der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Luif
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Vorahnungen von Ereignissen und so, und ungefähr die Hälfte von ihnen bewahrheiteten sich. Und meine Mutter konnte immer Sachen finden, die verlorengegangen waren. Meine Tante Mary hat immer noch die verrückten Träume, die sie ihr ganzes Leben lang hatte, aber das ist schon alles, abgesehen von der Tatsache, daß meine Mutter mit einem Schafhäutchen geboren wurde, und als ich noch klein war, pflegte sie zu sagen, daß ich lernen würde, Geld zu machen, wenn ich es am nötigsten brauchte.«
    Jean sagte: »Was ist mit dieser Verwandten von dir, die in Belfast lebendig verbrannt wurde?«
    Ich war beleidigt. »Das war in der Grafschaft Monaghan, die ist weit von Ulster. Und es war meine Urgroßtante Brigid-Nora. Und sie wurde verbrannt, weil ihr Vater Spanier war und weil sie während der großen Hungersnot immer viel Gold und Lebensmittel hatte, nicht weil sie etwa eine Hexe gewesen wäre.«
    »Deine Großmutter sagte immer, sie wäre eine gewesen.«
    »Kann man verstehen«, sagte ich. »Brigid-Nora war von der Connaught-Seite der Familie. Weißt du, das ist wie mit den Flamen und den Wallonen, oder den Preußen und den Bayern.«
    »Laß nur deine irische Geschichte. Du sagtest, deine Mutter ...«
    »Ja, sie sagte, ich würde viel Geld haben, wenn ich es am nötigsten brauchte. Aber du bist selbst eine Mutter; du weißt, wie Mütter über ihre Sprößlinge denken.«
    Jean seufzte und teilte die letzte Flasche zwischen unseren Gläsern. »Deine Mutter kannte ihren kleinen Jungen gut. Wenn du es am nötigsten brauchst! Mike, wenn diese Sache nicht klappt, werde ich wieder arbeiten gehen. Ich kann das nicht aushalten – diese kein-Fleisch-keine-Kleider-kein-Nichts-Diät. Ich kann dieses Leben nicht viel länger ertragen!«
    Ich wußte das. Ich konnte es selbst nicht viel länger ertragen. Fünf Dollar hier, zehn Dollar dort borgen, einen Wagen fahren, der seit zwölf Jahren am Auseinanderfallen war, Benzin und Öl auf einer ich-zahle-Freitag-Basis kaufen, Anzüge tragen, die – nun, Sie wissen, was ich meine. Es gefiel mir nicht. Und die zwei Kinder konnten lange warten, bevor sie in einem Haus leben würden, das ihr Vater mit dem Lohn eines Arbeiters kaufen konnte.
    Seit meiner Kindheit war ich noch nie vor jemand auf den Knien gelegen. Aber an diesem Abend kniete ich einfach vor Jean auf den Boden nieder, und wir sprachen uns über alles aus; alle die Dinge, die die Leute gewöhnlich nicht sagen, aber denken. Ich sagte ihr, was ich wollte, und sie sagte mir, was sie wollte, und wir machten beide ein wässeriges Schauspiel daraus. Schließlich standen wir auf und gingen zu Bett.
     
    Am nächsten Morgen war ich vor den Kindern auf, was bei mir sonst kaum vorkommt. Nach dem Frühstück rief ich als erstes meinen Abteilungsleiter an und sagte ihm, was er mit meinem Job machen könne. Eine Stunde später rief sein Chef an und ließ durchblicken, daß alles vergeben sein würde, wenn ich wie üblich zur Spätschicht käme. Ich ließ durchblicken, daß eine Lohnerhöhung angebracht wäre und wartete, bis er zustimmte. Dann sagte ich ihm, was er mit dem Job machen könne.
    Danach setzten wir uns zusammen in die Küche und machten eine Stunde lang Duplikate von Zehndollarnoten, bis wir zweitausend Dollar in hübschen grünen Scheinen hatten – mehr Geld, als wir in unserem ganzen verheirateten oder ledigen Leben je auf einem Haufen gehabt hatten. Dann zogen wir die Kinder an und fuhren in die Stadt. Einkaufen. Einkaufen mit Bargeld, ohne auf die Preisschilder zu achten. Das heißt, Jean versuchte immer wieder nachzusehen, wenn sie dachte, ich merkte es nicht, aber ich riß immer die Preisanhänger ab und steckte sie in die Tasche.
    Das Fahrrad und den Roller und die größeren Dinge ließen wir liefern; den Rest trugen wir. Die Frau des Vermieters war enorm überrascht, als wir nach Haus kamen, den ganzen Kofferraum voller Pakete; sie wollte uns ihr Mitgefühl zu dem plötzlichen Ereignis ausdrücken, das uns veranlaßt hatte, mit einem Taxi fortzufahren und mit einem anderen zurückzukehren. Nichts Ernstes, hoffe sie. Wir sagten nein, es sei nichts Ernstes, und schlossen die Tür.
    Nun, das war der Anfang. Zwei oder drei Tage stetigen Einkaufens bringen eine hübsche Menge Kleider zusammen. In drei Wochen hatten wir alles, was wir tragen konnten, und dachten ernsthaft daran, einige Dinge für die Wohnung zu kaufen. Der Ofen, den wir hatten, war schon schadhaft gewesen, als wir ihn bei einem Altwarenhändler erstanden

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