Das Phantom der Freiheit
Beschleunigungsmessers schlug wie wild nach beiden Seiten aus und begann dann auf 9000 zu klettern, bevor sie plötzlich stillstand und auf Null zurückfiel.
Das Schiff war still. Beinahe eine Minute lang sprach niemand. Die wenigen Sekunden unter fast neunfacher Erdschwerkraft hatten allen die Luft genommen. Kapitän Deering hustete und schaltete die Sprechanlage ein.
»Maschinenraum! Was ist passiert?«
Keine Antwort.
»Enkers! Chivers! Tance! Punz!« rief er. »Was geht da vor?«
Auch dieses Mal blieb er ohne Antwort. Die Männer im Maschinenraum waren im jähen Aufglühen von Hitze, Licht und Strahlung gestorben, das den Maschinenraum vernichtet hatte.
Der Raumhafen White Sands bedeckte vierzig Quadratkilometer Wüste im westlichen New Mexico. Es war eine weite, harte, leere Fläche, umgeben von Kakteen, Yuccas und menschenleerer Einöde. Am Ostrand des Geländes war ein voller Quadratkilometer für die Gebäude der Verwaltung, für Werkstätten und Wartungshallen reserviert.
Neil Stanley blickte aus dem Fenster seines Büros und kniff die Augen gegen die grelle Sonnenhitze zusammen. Er hatte seit Tagesanbruch gearbeitet und nicht bemerkt, daß die Sonne die angenehme Kühle des Wüstenmorgens längst vertrieben hatte. Er ließ die Fensterjalousie herab und stellte die Lamellen so, daß das einfallende Licht erträglich wurde. Er hatte nichts gegen die Wüste, aber die Hitze und die ewige Sonne machten ihm zu schaffen. Glücklicherweise standen ihm als ehemaligem Generalmajor der Raumstreitkräfte und jetzigem Koordinator der kommerziellen Flüge von und nach White Sands Büroräume mit Klimaanlage zu, und seine Pflichten brachten es selten mit sich, daß er außerhalb seines Büros zu tun hatte.
Stanley schätzte seine Arbeit, weil sie ihm ein gutes Einkommen sicherte, normalerweise nicht allzu aufreibend und frei vom Leerlauf militärischer Routine war. Er hatte lange den militärischen Raumhafen in Nevada befehligt, aber als sich die Gelegenheit ergeben hatte, den kommerziellen Verkehr zu übernehmen, hatte er seinen Abschied genommen. Da er in zwei Jahren ohnehin die militärische Altersgrenze erreicht und in den Ruhestand hätte gehen müssen, war ihm die Entscheidung nicht schwer geworden. Im Zivildienst konnte er noch einige Jahre länger arbeiten, und er fühlte sich zu jung für ein Rentnerdasein.
Er wandte sich vom Fenster weg und blickte zum Flugplan an der Wand. Die oberste Zeile war: MARTIAN QUEEN – 1404 : 9–2. Das war das nächste Schiff, das zur Landung fällig war. Darunter stand die Ankunftszeit der APHRODITE, fällig am nächsten Morgen. Wie gesagt, seine Arbeit war nicht sehr aufreibend. Er blickte auf die Uhr und nickte. Der Radarturm mußte die »Martian Queen« in diesen Minuten erfassen.
Das Telefon störte die Stille seines Büros, und er nahm den Hörer ab. »Stanley hier.«
»General, wir haben die ›Martian Queen‹ im Visier.«
»Was ist die geschätzte Ankunftszeit?« fragte Stanley.
»Haben wir noch nicht berechnet«, sagte die Stimme. »Da stimmt was nicht. Die Position deckt sich nicht genau mit dem Kurs, den sie haben sollte, und die Geschwindigkeit ist konstant.«
»Ich bin gleich drüben«, sagte Stanley und legte auf. Er verließ sein Büro im Laufschritt, die Lippen grimmig zusammengepreßt. Wenn eine Radaranlage die Ankunftszeit eines schon georteten Schiffs nicht sofort verausberechnen kann, dann ist etwas faul – sehr faul. Er kam hinaus in die Sonnenglut und sprang in seinen Jeep, der im Schatten wartete.
Der Radarturm war ein spinnenhaftes Bauwerk, dessen Träger und Verstrebungen sich metallisch grau vom grellblauen Himmel abhoben. In der Radarzentrale saßen drei Männer mit besorgten und verkniffenen Gesichtern vor Radarschirmen und Prozeßrechnern. Stanley murmelte einen Gruß, betrachtete den Lichtpunkt auf dem Radarschirm und ließ sich die Positionsberechnungen zeigen. Die Leute hatten recht; etwas stimmte nicht. Der Lichtpunkt bewegte sich nicht, was auf konstante Geschwindigkeit hindeutete. Das Schiff hätte längst verlangsamen müssen.
»Stellen Sie ein Radioverbindung mit Kapitän Deering her«, sagte Stanley, ohne von den Berechnungen aufzublicken. Er rieb sein Kinn. Die Ablesungen am Radarschirm waren leicht mit den Berechnungen zu vergleichen, und die Landezeit stand fest; alle Zahlen waren längst ausgerechnet. Alles, was die Männer in der Radarzentrale wissen mußten, waren Schiffsposition, Geschwindigkeit und negative
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