Das Phantom im Netz

erste Mal ins Internet ging.
    Weitere Gäste in der Sendung waren Eric Corley, der die »Free Kevin«-Bewegung angeführt hatte und sich wiederholt als mein verlässlichster Unterstützer erwiesen hat, sowie Steve Wozniak, Mitbegründer von Apple und inzwischen einer meiner engsten Freunde. Beide wollten mir bei meiner ersten Online-Navigation nach so vielen Jahren »helfen«.
    Als Überraschung überreichte Woz mir ein brandneues Apple PowerBook G4, auf dessen Verpackung ein witziger Cartoon zu sehen war, in dem jemand versucht, mit einem Stock durch die Gitter einer Gefängniszelle hindurch einen Computer zu erreichen. In vieler Hinsicht war dieser Moment, als ich vom Vater des PCs diesen Laptop überreicht bekam, der Moment, in dem ich wusste, dass mein Leben eine neue Richtung eingeschlagen hatte.
    Zwölf Jahre sind vergangen, seit ich aus dem Gefängnis entlassen wurde. Ich habe mir einen Ruf als Berater aufgebaut und immer ausreichend Aufträge. Meine Tätigkeit hat mich in alle Teile der USA und auf jeden Kontinent geführt, mit Ausnahme der Antarktis.
    Meine Arbeit ist für mich der absolute Traum. Nennen Sie mir eine illegale Aktivität, die, mit vorheriger Erlaubnis, legal ausgeführt werden kann und jedem nützt. Mir fällt nur eine ein: ethisches Hacken.
    Ich bin im Gefängnis gelandet, weil ich gehackt habe. Jetzt bezahlen mich Menschen sogar dafür, und mein Hacken ist legal und sogar nützlich.
    Ich hätte nie damit gerechnet, aber in den Jahren seit meiner Entlassung bin ich als Hauptredner bei unzähligen Branchen- und Firmenveranstaltungen aufgetreten, habe für die Harvard Business Review geschrieben und vor Studenten und Lehrenden der Harvard Law School gesprochen. Immer wenn ein Hacker in den Nachrichten auftaucht, werde ich von Fox, CNN oder anderen Nachrichtensendern um einen Kommentar gebeten. Ich war Gast bei 60 Minutes, Good Morning America und vielen, vielen anderen Sendungen. Ich bin von Regierungsbehörden engagiert worden, wie der FAA, der Sozialversicherungsbehörde und – trotz meiner kriminellen Vergangenheit – einer Unterorganisation des FBI, InfraGard.
    Ich werde oft gefragt, ob ich das Hacken komplett aufgegeben habe.
    Ich habe immer noch den Lebensrhythmus eines Hackers – spät aufstehen, frühstücken, wenn alle anderen mit dem Mittagessen fertig sind, und bis drei oder vier Uhr morgens am Computer sitzen.
    Und ich hacke wieder … aber auf eine andere Art. Ich arbeite als ethischer Hacker für Mitnick Security Consulting LLC und benutze meine Fertigkeiten als Hacker, um die Sicherheitsvorkehrungen von Firmen zu testen, indem ich Schwächen in ihren physischen, technischen und menschlichen Sicherheitskontrollen aufspüre, damit die Firmen ihren Schutz verbessern können, bevor die bösen Buben diese Schwächen ausnutzen. Ich arbeite für Firmen auf der ganzen Welt und halte fünfzehn bis zwanzig Firmenvorträge im Jahr. Meine Firma testet außerdem für Unternehmen Sicherheitsprodukte vor der Markteinführung darauf, ob sie erwartungsgemäß funktionieren. Meine Firma bietet darüber hinaus auch ein Sicherheitstraining an, in dem das Bewusstsein für Social-Engineering-Angriffe geschärft und die Gefahr durch solche Angriffe verringert wird.
    Meine Arbeit löst in mir dieselbe Leidenschaft fürs Hacken aus, die ich in den Jahren verspürte, als ich mir unerlaubte Zugriffe verschaffte. Der Unterschied lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Erlaubnis.
    Ich brauche keine Erlaubnis, um reinzukommen.
    Dieses Wort verwandelt mich augenblicklich vom meistgesuchten Hacker der Welt in den meistgefragten Sicherheitsexperten der Welt. Wie durch Zauberei.

Bildteil

    Shelly Jaffe
    Ich als Neunjähriger, vor meiner Hackerzeit, als ich noch am liebsten Zaubertricks vorführte

    Privatarchiv
    Ich im Alter von 21 Jahren mit meiner Mutter in Stockton, Kalifornien, 1984

    Privatarchiv
    Mit meiner Braut, Bonnie Vitello, bei unserem Hochzeitsempfang im Juni 1987

    Virgil Kasperavicius
    Mein Hackerpartner, Lewis De Payne, 1992, als wir Justin Petersen alias Eric Heinz, kennenlernten

    Count Zero alias John Lester
    Justin Petersen alias Eric Heinz, 1992, als er für das FBI Beweise gegen mich sammelte

    Privatarchiv
    Das Foto auf Eric Heinz’ Führerschein, das ich mir besorgte, als er hinter mir her war

    Privatarchiv
    Die Kinko’s-Filiale in Studio City, Kalifornien, aus der ich vor Ermittlern der Kfz-Zulassungsstelle an Heiligabend 1992 flüchtete

    Nick Arnott
    Das Gebäude in Denver,