Das Phantom im Netz
und sog alle Neuigkeiten aus der Welt der Elektrogeräte und Handys auf, dann war ich bereit für den nächsten Schritt.
Etwa zwanzig Minuten vor Feierabend (in Calgary ist es eine Stunde später als in Las Vegas) ließ ich mich nochmals mit der Sekretärin verbinden. »Ich bin am Flughafen, da ich unerwartet zurück nach Las Vegas muss. Meine Kollegen am Messestand haben Probleme. Würden Sie das Paket, das Kumamoto-san für mich abgegeben hat, an mein Hotel dort schicken? Ich bin im Circus Circus.« Im Circus Circus hatte ich für den nächsten Tag auf den Namen »Mike Bishop« ein Zimmer reserviert. Der Hotelangestellte hatte nicht einmal nach einer Kreditkarte gefragt. Ich gab der Sekretärin die Adresse des Hotels und buchstabierte den Namen »Mike Bishop«, damit sie sich auch alles richtig notierte.
Dann noch ein Anruf, wieder im Circus Circus. Ich erklärte, ich würde erst sehr spät ankommen und gerne sicherstellen, dass die Rezeption eine Sendung für mich annehmen könnte, bevor ich einchecken würde. »Natürlich, Mr. Bishop. Wenn es ein großes Paket ist, kommt es in den Lagerraum, wenn es klein ist, bleibt es vorn am Empfang.« Alles kein Problem.
Für den nächsten Anruf suchte ich mir einen ruhigeren Bereich und wählte die Nummer meines Lieblings-Elektronikgeschäfts, einer Circuit City-Filiale. Nachdem man mich mit einem Mitarbeiter der Handy-Abteilung verbunden hatte, sagte ich: »Hier ist Steve Walsh von LA Cellular. Wir haben Computerprobleme, das Aktivierungssystem ist defekt. Haben Sie während der letzten zwei Stunden Telefone bei LA Cellular registriert?«
Ja, sie hatten vier Handys verkauft. »Also gut«, erklärte ich. »Sie müssen mir die Telefonnummer und ESN dieser Geräte geben, damit ich die Nummern im System reaktivieren kann. Das Letzte, was wir gebrauchen können, sind unzufriedene Kunden, stimmt‘s?« Ich ließ ein selbstgefälliges Lachen hören, und er las die Nummern ab.
Jetzt hatte ich also vier ESN und die dazugehörigen Telefonnummern. Der Rest des Nachmittags war nervenraubende Warterei. Ich hatte keine Ahnung, ob ich die Sache durchziehen könnte. Würden die Leute bei Novatel merken, dass da irgendwas faul war, und die Chips gar nicht erst schicken? Würden im Hotel FBI-Agenten auf mich warten? Oder würde ich ab dem kommenden Nachmittag die Möglichkeit haben, die Nummer meines Handys beliebig zu ändern?
Am nächsten Tag kam mein langjähriger Freund Alex Kasperavicius in die Stadt. Ein intelligenter, sympathischer Typ, IT- und Telefonsystem-Experte, der es spannend fand, bei einigen meiner Projekte mitzumachen, ansonsten aber kein echter Hacker war. Ich konnte monatelang beharrlich an einer Sache dranbleiben, bis es endlich klappte. Alex war anders. Er hatte andere Beschäftigungen. Er arbeitete als Camp-Betreuer im Griffith Park, spielte klassische Musik auf seinem Waldhorn und hielt nach neuen Freundinnen Ausschau.
Ich erläuterte ihm die Situation und hatte Riesenfreude an seiner Reaktion. Zuerst konnte er nicht fassen, dass man den Hersteller dazu bringen konnte, einem die Chips zu schicken, dann schwärmte er, wie toll es wäre, wenn wir Anrufe tätigen könnten, ohne unsere Identität preiszugeben.
Kumamoto-san hatte mir die Programmierschritte erklärt, mit denen man einem Telefon mithilfe der Spezialversion der Firmware eine neue ESN geben konnte. Es ist jetzt zwanzig Jahre her, aber ich erinnere mich immer noch an den Code. Er lautete:
Funktionstaste
Funktionstaste
#
39
#
die letzten acht Ziffern der neuen ESN
#
Funktionstaste
(Für technisch Interessierte: Die ESN hat elf Ziffern, wobei die ersten drei für den Handyhersteller stehen. Mit Chip plus Code könnte ich mein Telefon nur mit der ESN von Novatel neu programmieren, nicht aber mit der ESN von einem anderen Hersteller – später, als ich an Novatels Quellcode gelangte, war mir dann auch das möglich.)
Um drei Uhr nachmittags waren wir dann ziemlich sicher, dass die Lieferung im Circus Circus angekommen sein musste, und wir konnten unsere Ungeduld nicht länger zähmen. Alex erklärte sich bereit, die Chips abzuholen. Uns beiden war ohne Worte klar, dass ich wieder im Gefängnis landen würde, wenn ich dort reingehen würde und mich Polizisten in Empfang nehmen würden. Ich sagte ihm, er solle sich als Mike Bishop ausgeben und sagen, er müsse die Sendung gleich zur Messehalle bringen und würde dann später einchecken. Ich wartete draußen.
In einer Situation wie dieser bestand
Weitere Kostenlose Bücher